Karl Blesinger, Dr. Andreas Viertelhausen
I. Allgemeines
Tz. 6
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Der in § 375 Abs. 2 AO behandelten Einziehung von Gegenständen, auf die sich die Tat bezieht, und von Beförderungsmitteln, die zur Tat benutzt worden sind, kommt im Bereich der Einfuhr- und Ausfuhrabgaben (s. § 3 Abs. 3 AO und Art. 5 Nr. 20 und 21 UZK; Zölle, EWG-Abschöpfungen, Einfuhrumsatzsteuer) und der Verbrauchsteuern erhebliche Bedeutung zu. Die maßgeblichen Rechtsvorschriften für die Einziehung sind in den §§ 73ff. StGB geregelt; zur Neuregelung der Einziehung s. Rettke, wistra 2017, 417; Korte, wistra 2018, 1. Die auf § 375 Abs. 2 AO gestützte Einziehung hat den Charakter einer Nebenstrafe und stellt damit eine Strafzumessungsentscheidung dar. Wird dem Täter auf diese Weise eine ihm gehörende Sache von nicht unerheblichem Wert entzogen, ist dies ein bestimmender Gesichtspunkt für die Bemessung der daneben zu verhängenden Strafe und insoweit im Wege einer Gesamtbetrachtung der den Täter treffenden Rechtsfolgen angemessen zu berücksichtigen (BGH v. 23.08.2016, 1 StR 204/16, NStZ 2017, 361).
Tz. 7
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Einziehungsvorschrift des § 375 Abs. 2 AO ergänzt die allgemeine Einziehungsregelung der §§ 73ff. StGB (BGH v. 11.05.2016, 1 StR 118/16, NStZ 2016, 731). Die Einziehung erstreckt sich auf Gegenstände, die durch eine vorsätzliche Tat hervorgebracht (Tatprodukte) oder zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind (Tatmittel) (s. § 74 Abs. 1 StGB). § 375 Abs. 2 AO ermöglicht die Einziehung von Schmuggelware und Beförderungsmitteln. Auch vorausfahrende oder nachfolgende Begleitfahrzeuge, die einen Transport unversteuerter Zigaretten lotsen oder absichern sollen, sind Beförderungsmittel im Sinne des § 375 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO (BGH v. 11.05.2016, 1 StR 118/16, NStZ 2016, 731). Die Verweisung auf § 74a StGB ermöglicht die in den Fällen des Schmuggels besonders bedeutsame Anordnung der Einziehung gegen Hinter- oder Mittelsmänner des Täters (BGH v. 31.10.1994, 5 StR 608/94, wistra 1995, 30).
Tz. 8
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Regelungen des Verfalls in den §§ 73ff. StGB sind entfallen.
Tz. 9
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Einziehung bei Steuerordnungswidrigkeiten ist in der AO nicht gesondert geregelt. Es gelten die §§ 22 bis 29a, § 87 OWiG. Im Gegensatz zu den §§ 73ff. StGB kommt eine Einziehung nur in Betracht, soweit das Gesetz sie ausdrücklich zulässt (s. § 22 Abs. 1 OWiG; z. B. § 36 Abs. 7 MOG, § 18 Abs. 3 BierStG). Mit der Neuregelung in den §§ 73ff. StGB wurden auch die §§ 22ff. OWiG geändert, s. Korte, wistra 2018, 1.
II. Einzelheiten
Tz. 10
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Voraussetzung der Einziehung ist das Vorliegen einer der in § 375 Abs. 2 AO bezeichneten Steuerstraftaten, deren objektiver und subjektiver Tatbestand verwirklicht – und festgestellt – sein muss. Es müssen aber auch die sonstigen Voraussetzungen der Strafbarkeit gegeben sein, insbes. darf die Tat nicht verjährt sein (s. die Erläuterungen zu § 376 AO), im Fall des § 370 AO darf keine strafbefreiende Selbstanzeige (s. § 371 AO) vorliegen und der Täter muss noch am Leben sein. Auf die Art der Tatbegehung (Eigentäterschaft, Beihilfe oder Anstiftung) kommt es ebenso wenig an wie darauf, ob der Taterfolg eingetreten oder die Tat nur in das Stadium des Versuchs gelangt ist. Mithin unterliegen der Einziehung Gegenstände, hinsichtlich derer vorsätzlich Eingangsabgaben oder Verbrauchsteuern verkürzt worden sind (s. § 370 AO) oder ein Bannbruch begangen (s. §§ 372, 373 AO) bzw. eine dieser Straftaten versucht worden ist. Ihr unterliegen ferner Gegenstände der genannten Art, die jemand vorsätzlich in hehlerischer Weise angekauft oder sonst sich oder einem Dritten verschafft oder abgesetzt oder hierzu Hilfe geleistet hat (s. § 374 AO). Der Einziehung unterliegen auch (nicht öffentliche) Beförderungsmittel, die bei Ausführung der Tat benutzt worden sind, z. B. der Kraftwagen beim Schmuggel, auch wenn er nur zur Sicherung vorausgefahren ist (BGH v. 14.10.1952, 2 StR 354/52, NJW 1953, 75).
Tz. 11
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Die der Einziehung unterliegenden Gegenstände müssen dem Täter oder Teilnehmer der Straftat gehören bzw. zustehen (s. § 74 Abs. 3 StGB). Unter Vorbehalt erworbenes Eigentum (s. § 449 BGB) reicht aus, nicht jedoch bloßes Sicherungs- oder Treuhandeigentum des Täters (Teilnehmers). Bei zugunsten Dritter bestelltem Sicherungseigentum kann die Anwartschaft auf den (Rück-)Erwerb der vom Täter einem Dritten sicherungsübereigneten Sache zum Gegenstand der Einziehung gemacht werden (BGH v. 24.08.1972, 4 StR 308/72, NJW 1972, 2053).
Tz. 12
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Rechte Dritter, insbes. Pfandrechte oder Sicherungseigentum, stehen der Einziehung nicht entgegen und bleiben bestehen. Allerdings kann das Gericht unter bestimmten Voraussetzungen das Erlöschen dieser Rechte anordnen (s. § 75 Abs. 2 StGB, s. Rz. 22).
Tz. 13
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Handlungen vertretungsberechtigter Organe oder Gesellschafter von juristischen Personen und ...