Tz. 14
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Das Vorliegen der Beschwer ist eine Frage der Begründetheit des Rechtsbehelfs. Für die Statthaftigkeit des Einspruchs reicht es bereits aus, dass die Beschwer geltend gemacht wird (BFH v. 15.03.2017, III R 12/16, BFHE 259, 229). Gibt der Einspruchsführer eine Einspruchsbegründung, ist die Beschwer geltend gemacht. Zur Begründung des Einspruchs ist der Einspruchsführer jedoch nicht verpflichtet, da die Finanzbehörde auch im Rechtsbehelfsverfahren die Pflicht zur umfassenden Prüfung der Sach- und Rechtslage hat (§ 357 Abs. 3 Satz 3 AO).
Tz. 15
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Auch bei fehlender Begründung eines Einspruchs dürfen an die Geltendmachung der Beschwer keine hohen Anforderungen gestellt werden. Dies würde sonst im Ergebnis doch eine faktische Begründungspflicht schaffen. Ein substantiierter Vortrag ist demnach nicht erforderlich (Seer in Tipke/Kruse, § 350 AO Rz. 25 ff.; a. A. Keß in Schwarz/Pahlke, § 350 AO Rz. 8, der einen schlüssigen Vortrag des Einspruchsführers verlangt, soweit eine Beschwer nicht so eindeutig ist). Für die Zulässigkeit eines Einspruchs genügt es, wenn der Einspruchsführer behauptet, der Verwaltungsakt verletze ihn in seinen Rechten oder benachteiligt ihn in sonstiger Weise. So kann bereits in der bloßen Anfechtung eines belastenden Steuerbescheides die Geltendmachung einer Beschwer zu sehen sein (BFH v. 27.11.1985, II R 90/83, BStBl II 1986, 243; BFH v. 08.11.1972, I R 257/71, BStBl II 1973, 120). Ob die behauptete Beschwer dann tatsächlich vorliegt, der Einspruchsführer also durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt wird, ist eine Frage der Begründetheit, nicht der Zulässigkeit. Der Einspruch ist jedoch dann unzulässig, wenn entweder dem Vortrag des Einspruchsführers offensichtlich und eindeutig entnommen werden kann, dass eine Rechtsverletzung unter keinem Gesichtspunkt in Betracht kommt oder auch, wenn der Einspruch in keiner Weise die Möglichkeit einer Rechtsverletzung des Einspruchsführers zu erkennen gibt.
Tz. 16
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Erfasst wird das Begehren einer Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG (BFH v. 13.07.1994, I R 5/93, BStBl 1995 II, 134). Einsprüche, die eine Anwendung des § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG in der Fassung des JStG 2010 ermöglichen sollen, sind statthaft (BFH v. 10.02.2015, IX R 6/14, BFH/NV 2015, 812). Liegt der Steuerfestsetzung eine Besteuerungsgrundlage zugrunde, die ein steuerliches oder außersteuerliches Verfahren bindet, ist die Beschwer gegen einen Nullbescheid zulässig. In Betracht kämen BAföG-Verfahren oder Beihilfeansprüche nach der BBhV oder vergleichbaren landesrechtlichen Regelungen hinsichtlich der Einkünfte (vgl. BFH v. 20.12.1994 IX R 124/92, BStBl 1995 II, 628, und BFH v. 19.02.2013, IX R 31/11, BFH/NV 2013, 1075). Für Wohngeldverfahren nach dem WoGG (BFH v. 24.01.1975, VI R 148/72, BStBl II, 382) und für Fälle der außergewöhnlichen Belastung (BFH v. 29.05.1996, III R 49/93, BStBl II, 654) besteht eine solche Bindung jedoch nicht.