Karl Blesinger, Dr. Andreas Viertelhausen
Tz. 11
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 34 Abs. 1 AO legt den in Rz. 2 ff. genannten Personen die umfassende Erfüllung aller steuerlichen Pflichten der von ihnen Vertretenen auf. Eine Beschränkung gilt nach § 34 Abs. 3 AO für Vermögensverwalter insoweit, als ihre Pflichten nicht über die ihnen zustehenden Befugnisse hinausgehen.
Tz. 12
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Mit der umfassenden Pflichtenstellung zieht der Gesetzgeber die Konsequenzen aus der Tatsache, dass Beteiligter an einem Steuerpflichtverhältnis auch sein kann, wer rechtlich oder tatsächlich nicht zur selbstständigen Erfüllung der durch das Steuerrecht auferlegten Pflichten imstande ist. Hinzu kommt, dass bürgerlich-rechtliche Rechtsfähigkeit und Steuerrechtsfähigkeit nicht deckungsgleich sind (s. § 33 AO Rz. 15).
Tz. 13
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Als besondere Pflicht der von der Regelung betroffenen Personen nennt § 34 Abs. 1 Satz 2 AO die Pflicht, dafür zu sorgen, dass bei Fälligkeit (BFH v. 11.11.2008, VII19/08, BStBl II 2009, 342) die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die sie verwalten. Selbstverständlich besteht diese Pflicht auch wegen solcher noch bestehender Verbindlichkeiten, die vor dem Amtsantritt fällig wurden (BFH v. 09.12.2005, VII B 124-125/05, BFH/NV 2006, 897). Naturgemäß kann diese Verpflichtung nur dann und insoweit zum Tragen kommen, als die Vertreter kraft ihrer Befugnisse tatsächlich in der Lage sind, über die Geldmittel oder sonstigen Vermögenswerte des Vertretenen zu verfügen (BFH v. 16.12.2003, VII R 77/00, BStBl II 2005, 249). Auch das Steuerrecht statuiert keine Nachschussverpflichtung z. B. der Gesellschafter einer GmbH. Im Grundsatz steht nach § 13 Abs. 2 GmbHG nur das Gesellschaftsvermögen zur Tilgung von Verbindlichkeiten zur Verfügung. Allerdings dürfen mit den zur Verfügung stehenden Mitteln nicht einzelne Gläubiger bevorzugt befriedigt werden (zum Grundsatz der anteilmäßigen Befriedigung s. § 69 AO Rz. 13).
Tz. 14
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Als weitere Verpflichtungen kommen die steuerlichen Erklärungs- (BFH v. 27.07.1989, VIII R 73/84, BStBl II 1989, 955: Verspätungszuschlag gegen Vertreter), Auskunfts-, Nachweis-, Berichtigungs-, Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten in Betracht (s. § 33 Abs. 1 AO) sowie die in Einzelsteuergesetzen auferlegten Pflichten (BFH v. 04.03.1986, VII R 38/81 BStBl II 1986, 577) oder Wahlrechte (BGH v. 24.05.2007, IX ZR 8/06, NJW 2007, 2556). Auch bezüglich solcher Vorgänge, die vor dem Eintritt in den Personenkreis des § 34 AO liegen, kommen Verpflichtungen in Betracht (Beispiel: Anzeigepflicht gem. § 153 Abs. 1 AO). Zu erfüllen sind auch diejenigen steuerlichen Pflichten, die sich auf Steuern beziehen, die zuvor entstanden sind. So muss der Insolvenzverwalter auch die Steuerschulden des Gemeinschuldners deklarieren, die Zeiträume vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens betreffen (BFH v. 23.08.1994, VII R 143/92, BStBl II 1995, 194).
Tz. 15
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Das Erlöschen der Vertretungsmacht oder der Verfügungsmacht lässt die entstandenen Pflichten unberührt, soweit diese den Zeitraum betreffen, in dem die Vertretungsmacht oder Verfügungsmacht bestanden hat, und soweit der Verpflichtete sie erfüllen kann (s. § 36 AO). Die Pflichten sind öffentlich-rechtlicher Natur und können deshalb auch nicht durch Abmachungen zwischen Vertreter und Vertretenem eingeschränkt oder beseitigt werden (BFH v. 04.03.1986, VII S 33/85, BStBl II 1986, 384). Im Übrigen hat der gesetzliche Vertreter auch für den Fall seiner unvorhergesehenen Verhinderung Vorsorge zu treffen (FG Münster v. 07.07.2010, 11 K 800/08, EFG 2011, 2).
Tz. 16
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Verletzen die von der Vorschrift erfassten Personen die ihnen auferlegten Pflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig und entsteht dem Abgabeberichtigten dadurch ein Schaden, so haften sie persönlich unter den weiteren Voraussetzungen des § 69 AO.