Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Im Einzelnen knüpft die Annahme eines Wohnsitzes im steuerlichen Sinne an folgende Merkmale an:
I. Vorhandensein einer Wohnung
Tz. 5
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Es muss eine Wohnung vorhanden sein. Das bedeutet, dass die vorhandenen Räume nach Ausmaß, baulicher Gestaltung und Einrichtung zum dauerhaften Wohnen geeignet sein müssen (BFH v. 22.04.1994, III R 22/92, BStBl II 1994, 887) und eine den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der betreffenden Person entsprechende Bleibe darstellen (BFH v. 19.03.1997, I R 69/96, BStBl II 1997, 447). Nicht erforderlich ist, dass die Wohnung abgeschlossen ist oder Küche und separate Waschgelegenheit enthält (AEAO zu § 8, Nr. 3). Auch ein Ferien- und Wochenendhaus, eine sog. Stand-by-Wohnung, die Piloten zusammen mit Berufsangehörigen nutzen (BFH v. 10.04.2013, I R 50/12, BFH/NV 2013, 1909), oder ein Jagdhaus können Wohnung i. S. des § 8 AO sein (BFH v. 04.06.1964, IV 29/64 U, BStBl III 1964, 535), auch wenn die Einrichtung bescheidener ist als bei einer Hauptwohnung. Begnügt sich jemand auf die Dauer ausschließlich mit einer Unterkunft, die objektiv seinen Lebensverhältnissen nicht angemessen erscheint, liegt eine Wohnung vor (Buciek in Gosch, § 8 AO Rz. 16 f.; Drüen in Tipke/Kruse, § 8 AO Rz. 5 m. w. N.: Gemeinschaftslager, Baracke, Wohnwagen bei Dauermiete auf Campingplatz, Hotelzimmer bei Dauernutzung).
Tz. 6
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Ob die Wohnung mit eigenen oder fremden Möbeln ausgestattet ist, macht keinen Unterschied. Auch möblierte Zimmer können eine Wohnung im steuerlichen Sinne darstellen (ebenso Drüen in Tipke/Kruse, § 8 AO Rz. 5 m. w. N.). Bloße Übernachtungsmöglichkeiten bei Bekannten oder Verwandten, in Hotelzimmern ohne Dauermiete oder in Geschäftsräumen sind keine Wohnung (BFH v. 08.05.2014, III R 21/12, BFHE 246, 389; BStBl II 2015, 135).
II. Innehaben der Wohnung
Tz. 7
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Die betreffende Person muss die Wohnung innehaben, d. h. tatsächlich über sie jederzeit und unbeschränkt verfügen können und diese subjektiv zu einer entsprechenden Nutzung bestimmen. Hierdurch unterscheidet sich die bloße Aufenthaltnahme von dem Wohnsitz (BFH v. 13.11.2013, I R 38/13, BFH/NV 2014, 1046), s. § 9 AO Rz. 2. Es ist eine Nutzung erforderlich, die über bloße Besuche, kurzfristige Ferienaufenthalte und das Aufsuchen der Wohnung zu Verwaltungszwecken hinausgeht, die aber weder regelmäßig noch über längere Zeit erfolgen muss (BFH v. 30.06.2004, VIII B 132/04, BFH/NV 2004, 1639). Es kommt nicht darauf an, dass am Ort der Wohnung der Mittelpunkt der Lebensinteressen liegt (BFH v. 24.01.2001, I R 100/99, BFH/NV 2001, 1402).
Tz. 8
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Eine Wohnung kann jemand auch durch Familienangehörige innehaben (s. FG Ha v. 07.03.1997, I 135/94, EFG 1997, 1153). Regelmäßig ist davon auszugehen, dass jemand an dem Ort, an dem die Familie eine Wohnung innehat und benutzt, selbst einen Wohnsitz hat (BFH v. 17.05.1995, I R 8/94, BStBl II 1996, 2 m. w. N.). Dies gilt uneingeschränkt jedoch nur für das "Beibehalten" eines bereits vorhandenen Wohnsitzes. Dagegen ist die "Begründung" eines inländischen Wohnsitzes ohne einen Aufenthalt im Inland grds. nicht möglich. Ein im Ausland geborenes Kind teilt bereits von Geburt an den inländischen (Familien-)Wohnsitz seiner Eltern. Dies gilt jedoch nur, wenn sich die Mutter nur zur Entbindung im Ausland aufgehalten hat und das Kind innerhalb angemessener Zeit nach Deutschland gebracht wird. Kann das Kind den Wohnsitz der Eltern im Inland aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht aufsuchen, kann es dort (zunächst) auch keinen eigenen Wohnsitz begründen (BFH v. 27.02.2014, V R 15/13, BFH/NV 2014, 103; v. 07.04.2011, III R 77/09, BFH/NV 2011, 1351).
Tz. 9
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Wem ein Zimmer nur zu Besuchszwecken bereitgehalten wird, der hat dort keine Wohnung (s. BFH v. 17.03.1961, VI 185/60 U, BStBl III 1961, 298 betr. einen ausgewanderten Sohn, der immer wieder in die inländische Wohnung seiner Mutter zurückkehrte; BFH v. 25.01.1989, I R 205/82, BStBl II 1990, 687 und BFH v. 14.10.2011, III B 202/10, BFH/NV 2012, 226 betr. Zimmer mit Schlafgelegenheit bei im nahen Ausland vorhandenem Einfamilienhaus). Der bloße Besitz einer Wohnung, eines Ein- oder Zweifamilienhauses, die zur nicht nur kurzfristigen Vermietung oder zum Verkauf bestimmt sind, begründet keinen Wohnsitz (AEAO zu § 8, Nr. 6). Ein abgelegenes Haus, das während der Schulferien der Kinder benutzt wird, ist ebenso wenig Wohnung (BFH v. 24.04.1964, VI 236/62 U, BStBl III 1964, 462), wie sonstige in unregelmäßigen Abständen zu Erholungszwecken benutzte Zweit- oder Ferienwohnungen (BFH v. 06.03.1968, I 38/65, BStBl II 1968, 439). Der planmäßige und regelmäßige Aufenthalt in der am Arbeitsort befindlichen Wohnung eines Verwandten führt nicht zum Innehaben einer Wohnung, wenn dem Stpfl. dort nicht ein Zimmer ständig zur eigenen Benutzung zur Verfügung steht (BFH v. 24.10.1969, IV 290/64, BStBl II 1970, 109).
III. Beibehalten und Nutzen der Wohnung
Tz. 10
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