Tz. 22
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
In § 226 Abs. 2, 3 und 4 AO sind spezielle für die Aufrechnung im Steuerrecht geltende Regelungen getroffen.
I. Keine Aufrechnung mit verjährten Ansprüchen (§ 226 Abs. 2 AO)
Tz. 23
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Gemäß § 226 Abs. 2 AO kann mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis nicht aufgerechnet werden, wenn sie durch Verjährung oder Ablauf einer Ausschlussfrist erloschen sind. Die Abweichung von § 215 BGB ist dadurch bedingt, dass die Verjährung im Steuerrecht im Unterschied zum bürgerlichen Recht Erlöschenswirkung hat (§§ 214 BGB, 47 AO).
II. Unstreitige Gegenforderung des Stpfl. (§ 226 Abs. 3 AO)
Tz. 24
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Gemäß § 226 Abs. 3 AO können Stpfl. gegen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nur mit solchen Gegenansprüchen aufrechnen, die unbestritten oder rechtskräftig festgestellt sind. "Rechtskräftig" festgestellt i. S. von § 226 Abs. 3 AO ist eine Forderung, wenn sie vom FA bestandskräftig festgesetzt worden ist oder durch gerichtliche Entscheidung Rechtskraft erlangt hat. Unbestritten ist die Gegenforderung des Stpfl., wenn ihr keine sachlichen, den Bestand und die Fälligkeit dieser Forderung berührenden Einwände entgegengehalten werden. Die Finanzbehörde muss sich substantiiert erklären. Ist allerdings das FA für die Feststellung der Gegenforderung des Stpfl. nicht selbst zuständig und diese Forderung gegenüber der zuständigen Behörde noch nicht geltend gemacht, so genügt zur Ablehnung der Aufrechnung der bloße Hinweis der Finanzbehörde, dass das Bestehen des Gegenanspruchs fragwürdig ist (BFH v. 10.07.1979, VII R 114/75, BStBl II 1979, 690; BFH v. 07.01.2003, VII B 186/02, BFH/NV 2003, 446).
Tz. 25
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Anders als Stpfl. können Finanzbehörden grundsätzlich auch mit solchen Forderungen aufrechnen, die vom Aufrechnungsgegner bestritten und noch nicht rechtskräftig festgestellt worden sind (BFH v. 04.05.1993, VII R 82/92, BFH/NV 1994, 285; BFH v. 17.10.2001, VII B 9/01, BFH/NV 2002, 367). Wirksam ist die Aufrechnung jedoch nur, wenn die Gegenforderung materiellrechtlich besteht. Diese Frage wird nicht im Erhebungsverfahren durch Abrechnungsbescheid, sondern im vorgreiflichen Anfechtungsverfahren gegen den bestrittenen Steueranspruch entschieden.
III. Fiktion von Gläubiger und Schuldner (§ 226 Abs. 4 AO)
Tz. 26
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 226 Abs. 4 AO klärt im Wege der Fiktion ausdrücklich die früher umstrittene Frage, ob bei der Feststellung der Gegenseitigkeit der zur Aufrechnung kommenden Forderungen bezüglich des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis auf die Ertrags- oder Verwaltungshoheit abzustellen ist (s. BFH v. 07.03.2006, VII R 12/05, BStBl II 2006, 584). Kraft Gesetzes gilt als Gläubiger oder Schuldner auch die Körperschaft, die die Steuer verwaltet. § 226 Abs. 4 AO fingiert damit die Gegenseitigkeit von Forderung und Gegenforderung auf der Basis der Verwaltungshoheit soweit sie auf der Basis der Ertragshoheit nicht besteht. Davon betroffen sind die von den FA als Landesfinanzbehörden verwalteten sog. Gemeinschaftssteuern (ESt, KSt, USt), deren Aufkommen teils dem Bund zusteht.