I. Unanfechtbare Steuerfestsetzung
Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Drittwirkung üben nur unanfechtbare Steuerbescheide usw. aus. Ein Bescheid ist unanfechtbar, wenn die Rechtsbehelfs- oder Rechtsmittelfrist abgelaufen ist oder wenn über einen Rechtsbehelf oder ein Rechtsmittel unanfechtbar entschieden worden ist. Der Drittwirkung steht nicht entgegen, dass der Steuerbescheid änderbar ist (§§ 164, 165 AO, §§ 172ff. AO; Heuermann in HHSp, § 166 AO Rz. 6)). Die Regelung wirkt sich vor allem bei Haftenden aus: stehen dem Haftungsschuldner grundsätzlich sämtliche Einwendungen des Steuerschuldners gegen den Anspruch zu, sind ihm diese jedoch nach § 166 AO abgeschnitten, wenn er den Steuerbescheid als Vertreter oder Bevollmächtigter des "Erstschuldners" oder kraft eigenen Rechts hätte anfechten können (BVerfG v. 29.11.1996, 2 BvR 1157/93, BStBl II 1997, 415; Loose in Tipke/Kruse, § 191 AO Rz. 133).
II. Gesamtrechtsnachfolge
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Der Gesamtrechtsnachfolger muss die Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung gegenüber dem Stpfl. gegen sich gelten lassen. Dies folgt daraus, dass mit dem Eintritt der Gesamtrechtsnachfolge der Rechtsnachfolger in vollem Umfang in die Stellung des Vorgängers hineinwächst. Gesamtrechtsnachfolge liegt vor bei Erbfall, Verschmelzung und Umwandlung, Eintritt in eine Gütergemeinschaft, Anwachsung, Zusammenschluss öffentlich-rechtlicher Körperschaften (s. Ausführungen zu § 45 AO). Die Drittwirkung gegenüber dem Gesamtrechtsnachfolger setzt nicht voraus, dass dieser in der Lage gewesen wäre, den Steuerbescheid gegen seinen Rechtsvorgänger anzufechten.
Tz. 5
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Nicht unter den Begriff der Gesamtrechtsnachfolge fallen Geschäftsübernehmer nach § 25 HGB bzw. nach § 75 AO sowie Einzelrechtsnachfolger. Diese Personen müssen – als Haftende – die Unanfechtbarkeit der Festsetzung der Hauptschuld nicht gegen gelten lassen (Krumm in Tipke/Kruse, § 166 AO Rz. 6). Eine Drittwirkung in Fällen von Einzelrechtsnachfolge ist jedoch geregelt für Einheitswertbescheide (§ 182 Abs. 2 AO), Grundsteuermessbescheide (nicht für Gewerbesteuermessbescheide, § 184 Abs. 1 Satz 4 AO) und für Zerlegungs- und Zuteilungsbescheide (§§ 185, 190 Satz 2 AO). Für die auf diesen Grundlagenbescheiden beruhenden Steuerbescheide (VSt-, GrSt-, GewSt-Bescheide) gilt die Drittwirkung nicht (Krumm in Tipke/Kruse, § 166 AO Rz. 7 m. w. N.).
III. Eigene Rechtsbehelfsbefugnis
Tz. 6
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die gegenüber dem Stpfl. eingetretene Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung muss ferner gegen sich gelten lassen, wer in der Lage gewesen wäre, den gegen den Stpfl. erlassenen Bescheid als dessen Vertreter oder Bevollmächtigter oder kraft eigenen Rechts anzufechten. Die Aufzählung ist abschließend. Ausschlaggebend ist allein die während der gesamten Dauer der Rechtsbehelfsfrist bestehende rechtliche, nicht die tatsächliche Möglichkeit, einen Rechtsbehelf einzulegen (BFH v. 16.12.1997, VII R 30/97, BStBl II 1998, 319). Die Drittwirkung der unanfechtbaren Steuerfestsetzung tritt daher nicht ein, wenn der als Haftungsschuldner in Anspruch genommene Geschäftsführer einer GmbH nicht während der gesamten Dauer der Rechtsbehelfsfrist berechtigt gewesen ist, als Vertreter der GmbH zu handeln, oder wenn er seine Vertretungsbefugnis zu einem Zeitpunkt verloren hat, zu dem er noch vor Ablauf der Festsetzungsfrist und dem damit verbundenen Wegfall des Vorbehalts (§ 164 Abs. 4 Satz 1 AO) nach § 164 Abs. 2 Satz 2 AO einen Antrag auf Änderung oder Aufhebung der unter Vorbehalt festgesetzten Steuer hätte stellen können (BFH v. 16.05.2017, VII R 25/16, BStBl II 2017, 934 m. w. N.).
Tz. 7
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Vertreter sind die gesetzlichen Vertreter i. S. des § 34 AO, Bevollmächtigte, die kraft Auftrags oder aufgrund Vertrags mit der Wahrnehmung der Interessen des Stpfl. beauftragten Personen. Voraussetzung ist jedoch, dass er während der gesamten Dauer der Rechtsbehelfsfrist Vertretungsmacht und damit das Recht gehabt hat, namens des Stpfl. zu handeln (BFH v. 24.08.2004, VII R 50/03, BStBl II 2005, 127). Die rechtliche Möglichkeit, einen Rechtsbehelf einzulegen, bestimmt sich nach dem jeweiligen Umfang der Vertretungsmacht, wie er sich aus Gesetz, Satzung, Vertrag u.Ä. ergibt, und reicht nicht weiter als ihre Vertretungsmacht (BFH v. 24.08.2004, VII R 50/03, BStBl II 2005, 127; Krumm in Tipke/Kruse, § 166 AO Rz. 15). Sie fehlt z. B., wenn bei Gesamtvertretung nicht alle vertretungsbefugten Personen zugestimmt haben (FG Ddorf v. 21.11.1997, 3 K 8003/93 H (U), EFG 1998, 616), oder wenn rechtliche Einschränkungen der erteilten Vollmacht im Innenverhältnis bestehen (h. M.; u. a. Krumm in Tipke/Kruse, § 166 AO Rz. 15; Rüsken in Klein, § 166 AO Rz. 7), oder wenn das Verfügungsrecht auf den Insolvenzverwalter übergegangen ist (FG Nds v. 24.03.1998, XI 188/93, EFG 1998, 979). Sie fehlt auch bei einem Gesellschafter einer GbR, der für Steuerschulden der Gesellschaft als Haftungsschuldner in Anspruch genommen worden ist, wenn er nicht zur Alleinvertretung der GbR berechtigt war. Da...