I. Die Auskunftspflichtigen
Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Auskunftspflichtig sind die Beteiligten und andere Personen. Die Auskunftspflicht trifft also natürliche und juristische Personen sowie nicht rechtsfähige Vereinigungen, Vermögensmassen, Behörden und Betriebe gewerblicher Art der Körperschaften des öffentlichen Rechts. Nicht natürliche Personen kommen ihrer Auskunftspflicht durch ihre gesetzlichen Vertreter, besonderen Beauftragten, Leiter oder Mitglieder nach (s. §§ 34, 79 AO; s. auch § 103 Satz 1 AO). Natürliche Personen, die nicht handlungsfähig sind, sind auskunftsfähig und neben den für sie handelnden Personen auskunftspflichtig. Den Beteiligten stehen in Hinsicht auf die Auskunftspflicht gleich die gesetzlichen und gewillkürten Vertreter (ggf. auch der nach § 81 AO bestellte Vertreter); solche Personen sind im Verhältnis zum Beteiligten nicht Dritte.
Die Auskunftspflicht betrifft nicht nur den Beteiligten, sondern auch "andere Personen". Zum Beteiligtenbegriff s. § 78 AO. Beteiligter in diesem Sinne ist auch derjenige, an den die Finanzbehörde einen Haftungsbescheid richten will, und zwar auch bezüglich des Haftungsumfangs (BFH v. 11.07.1989, VII R 81/87, BStBl II 1990, 357); insoweit muss sich das Auskunftsverlangen auf den haftungserheblichen Sachverhalt erstrecken (BFH v. 18.03.1987, II R 35/86, BStBl II 1987, 419). Die Auskunftspflicht Dritter rechtfertigt sich aus dem Interesse der Allgemeinheit an zutreffender, gleichmäßiger und unverkürzter Besteuerung. Demgegenüber muss das Interesse des unbeteiligten Dritten, unbehelligt von staatlichen Eingriffen zu bleiben, zurücktreten. Unter dieser Prämisse kann davon ausgegangen werden, dass Sammelauskunftsersuchen auch vor der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung in § 93 Abs. 1a AO gegenüber Banken, Presse oder Internethandelsplattformen grundsätzlich zulässig waren (auch BFH v. 22.02.2000, VII R 73/98, BStBl II 2000, 366; BFH v. 24.10.1989, VII R 1/87, BStBl II 1990, 198; BFH v. 16.01.2009, VII R 25/08, BStBl II 2009, 582; BFH v. 16.05.2013, II R 15/12, BStBl II 2014, 225; BFH v. 12.05.2016, II R 17/14, BStBl II 2016, 822). Allerdings hält der BFH es zu Recht für ernstlich zweifelhaft, ob Sammelauskunftsersuchen zulässig sind, wenn Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Steuereingriffs bestehen (BFH v. 21.10.2003, VII B 85/03, BStBl II 2004, 36 zur Zinsbesteuerung). Zudem ist ein Sammelauskunftsersuchen nur zulässig, wenn solch weitgehende Ermittlungsmaßnahmen "hinreichend veranlasst" sind (BFH v. 16.01.2009, VII R 25/08, BStBl II 2009, 582). Ermittlungen "ins Blaue" hinein sind also ebenso unzulässig wie ein Sammelauskunftsersuchen bei einem von der FinVerw. unterstellten "Generalverdacht". Es bedarf also stets eines konkreten Anhaltspunktes für die Einholung einer Sammelauskunft. Darüber hinaus muss die Inanspruchnahme des Dritten für die Sammelauskunft erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar sein. Dazu gehört auch die Prüfung, ob die Auskunftserteilung technisch mit verhältnismäßigem Aufwand erfolgen kann (BFH v. 16.05.2013, II R 15/12, BStBl II 2014, 225).
II. Das Auskunftsersuchen
1. Auswahl der Auskunftsperson
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Hält die Finanzbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhaltes die Einholung einer Auskunft für erforderlich (Entschließungsermessen), hat sie zunächst zu prüfen, ob sie die notwendige Auskunft von einem am Besteuerungsverfahren Beteiligten (§ 78 AO) erhalten kann. Nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO soll sich die Finanzbehörde im Regelfall zunächst an die Beteiligten halten und kann sich erst dann an andere Personen wenden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziele führt oder keinen Erfolg verspricht. Hierdurch wird gewährleistet, dass Außenstehende nach Möglichkeit unbehelligt bleiben und die steuerlichen Verhältnisse der Beteiligten nicht unnötigerweise anderen zur Kenntnis gelangen. Damit ist das Auswahlermessen der Behörde eingegrenzt. Allerdings führt die Verletzung von Abs. 1 Satz 3 nicht zu einem Verwertungsverbot der erlangten Auskünfte (BFH v. 25.01.2017, I R 70/15, BStBl II 2017, 780). Diese Kriterien führen auch nicht dazu, dass die Finanzbehörde unter allen Umständen so lange auf die Inanspruchnahme eines Dritten verzichten muss, solange sie nicht alle rechtlich zulässigen und möglichen Versuche unternommen hat, vom Beteiligten selbst die Auskunft zu erhalten. Während sich die Voraussetzung für das Auskunftsersuchen an Dritte, dass die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziele führt, ohnehin in den Akten der Behörde niederschlagen wird, müssen die Umstände, die zur Überzeugung der Behörde geführt haben, dass eine Befragung der Beteiligten keinen Erfolg verspricht (Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung, s. auch BFH v. 30.03.1989, VII R 89/88, BStBl II 1989, 537), zweckmäßigerweise aktenkundig gemacht werden. Diese Umstände können in der Sache oder in der Person des Beteiligten begründet sein, insbes. kann die vorherige Befragung eines Beteiligten unmöglich oder unzweckmäßig sei...