I. Zulässigkeit des Verfahrens
Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Nach § 94 Abs. 1 Satz 1 AO ist Voraussetzung für die Zulässigkeit des Verfahrens, dass die Finanzbehörde die Beeidigung entweder mit Rücksicht auf die Bedeutung der Auskunft oder zur Herbeiführung einer wahrheitsgemäßen Auskunft für geboten hält. Die besondere Bedeutung der Auskunft kann z. B. darin liegen, dass allein durch sie der Gegenbeweis zu nichteidlichen Aussagen eines Beteiligten geführt werden soll. Allgemein ausgedrückt ist eine Auskunft von Bedeutung, wenn sie maßgeblichen Einfluss auf die von der Finanzbehörde zu treffende Entscheidung hat. Bei geringfügigen steuerlichen Auswirkungen kann es trotz der Entscheidungserheblichkeit an einer Bedeutung fehlen. Zur Herbeiführung einer wahrheitsgemäßen Auskunft kann die eidliche Vernehmung dienlich sein, wenn z. B. zu befürchten ist, dass die Auskunftsperson sich durch Auswirkungen auf eigene Interessen zu Falschauskünften verleiten lassen könnte oder bei bisherigen uneidlichen Auskünften widersprechende Angaben gemacht hat. In der Regel dürfte sich aber auch bei eidlicher Vernehmung kein wesentlich höherer Beweiswert ergeben.
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Bei der Entscheidung, ob eine eidliche Vernehmung hat die Finanzbehörde eine Ermessensentscheidung vorzunehmen ("kann"). Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine solche Vernehmung wegen der möglichen strafrechtlichen Folgen (§ 154 StGB: Meineid, § 155 StGB: (eidesgleiche Bekräftigung, § 163 StGB: fahrlässiger Falscheid) eine besondere Maßnahme darstellt. Von der eidlichen Vernehmung sollte daher nur Gebrauch gemacht werden, wenn andere Erkenntnismittel nicht zur Verfügung stehen oder mit hoher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen ist, dass andere Ermittlungsmaßnahmen erfolglos bleiben werden.
II. Verfahren bei Gericht
Tz. 5
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Das Tätigwerden des Gerichts setzt ein entsprechendes Ersuchen durch die Finanzbehörde voraus. An dieses Ersuchen ist das Gericht grundsätzlich gebunden. Es hat aber zu prüfen, ob das Ersuchen der Finanzbehörde den formellen Anforderungen genügt (BFH v. 26.09.1995, VII B 148/95, BFH/NV 1996, 200 m. w. N.). Das FG braucht dem Ersuchen z. B. dann nicht zu folgen, wenn die Finanzbehörde eine eidliche Vernehmung einer Person verlangt, die entweder nicht auskunftsfähig ist oder der die Eidesfähigkeit fehlt (§ 393 ZPO i. V. m. § 82 FGO). Nicht Gegenstand der formellen Prüfung ist, ob die begehrte eidliche Vernehmung sinnvoll erscheint und ermessensgerecht ist. Die Würdigung der Vernehmungsergebnisse obliegt der FinVerw im Rahmen des Besteuerungsverfahrens. Einwendungen dagegen kann der Stpfl. im dagegen gerichteten Rechtsbehelfsverfahren geltend machen.
Tz. 6
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Zuständig ist primär das für den Wohnsitz oder Aufenthaltsort der zu vernehmenden Person zuständige Finanzgericht, d. h. dasjenige Finanzgericht, in dessen Bezirk sich Wohnsitz oder Aufenthaltsort der zu beeidigenden Person befindet. Um dem Betroffenen weite Reisen zu ersparen, lässt § 94 Abs. 1 Satz 2 AO zu, dass das zuständige Amtsgericht um die eidliche Vernehmung ersucht wird, wenn sich der Wohnsitz oder Aufenthaltsort der zu beeidigenden Person nicht am Sitz eines Finanzgerichts oder eines besonders errichteten Senats befindet. Ob die Finanzbehörde von dieser Möglichkeit nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen Gebrauch macht, wird unter Abwägung aller Umstände zu entscheiden sein. Insbesondere wird dabei zu berücksichtigen sein, ob nach Art und Umfang des aufzuklärenden Sachverhalts die besondere Sachkunde des Finanzgerichts der Wahrheitsfindung dienlicher ist.
Innerhalb des ersuchten Finanzgerichts richtet sich die Zuständigkeit nach der Geschäftsverteilung. Der zuständige Richter – nicht der Senat – führt die Einvernahme durch und hat infolgedessen auch Terminbestimmung und Ladung vorzunehmen (s. § 158 FGO). Desgleichen hat er die Auskunftsperson zu beeidigen. Ob über die Rechtmäßigkeit einer Verweigerung des Zeugnisses oder der Eidesleistung der Einzelrichter oder der Senat entscheidet (§ 158 Satz 2 FGO), ist umstritten; hierzu s. Rz. 9.
Die eidliche Vernehmung vor dem Finanzgericht ist für die damit befassten Richter keine Mitwirkung beim Verwaltungsverfahren i. S. des § 51 Abs. 2 FGO.
Tz. 7
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Das an das Gericht zu richtende Ersuchen muss den Gegenstand der Vernehmung sowie die Namen und Anschriften der Beteiligten angeben (§ 94 Abs. 2 Satz 1 AO). Nicht erwähnt, aber selbstverständlich ist auch die Angabe des Namens und der ladungsfähigen Anschrift der zu vernehmenden Person. Bei der Angabe des Gegenstandes der Vernehmung ist eine zu knappe Bezeichnung des Beweisthemas untunlich, weil dem Gericht eine eigenverantwortliche zweckdienliche Ausdehnung der Befragung schon mangels Aktenkenntnis nicht möglich wäre und kaum sinnvoll erscheint. Im Übrigen ist das Gericht auch hinsichtlich des Umfangs der Vernehmung an das Ersuchen der Behörde gebunden, eine eigenständige Sachverhaltsermittlung also nicht möglich. Eine Mitübersendung...