I. Benennung des Sachverständigen
Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Entscheidung, ob ein Sachverständiger zuzuziehen ist, steht nach § 96 Abs. 1 Satz 1 AO ausschließlich der Finanzbehörde zu. Im Rahmen ihrer Ermittlungspflicht befindet die Finanzbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen, ob ihre eigene Sachkenntnis ausreicht oder der sachkundigen Unterstützung bedarf. Fehleinschätzungen der eigenen Sachkenntnis, sei es unbewusst oder auch bewusst, stellen zwar einen Ermessens- und Verfahrensfehler dar, führen jedoch in der Regel nicht zu einer Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsaktes, sondern oft dazu, dass das Finanzgericht während des gerichtlichen Verfahrens im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht einen Sachverständigen einschaltet. Die Behörde ist nicht verpflichtet, einer Sachverständigenanregung eines Beteiligten nachzukommen.
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Sachverständige können nur natürliche Personen sein. Von der Auskunftsperson unterscheidet sich der Sachverständige dadurch, dass er über keine eigenen Erkenntnisse über bestimmte steuerlich relevante Sachverhalte verfügt, sondern seine Fachkunde auf dem ihm zur Begutachtung unterbreiteten Sachverhalt anwendet. Kein Sachverständiger i Sinne dieser Vorschrift ist der von einem Beteiligten gestellte Privatgutachter; dessen Angaben sind – ebenso wie ein schriftlich erstelltes Privatgutachten – Beteiligtenvorbringen. Der Finanzbehörde obliegt es, den für die gebotene Klärung geeigneten Sachverständigen auszuwählen. Dabei können sie sich z. B. der Hilfe der Industrie- und Handelskammern und der Handwerkskammern bedienen. Bei der Auswahl hat sie dem Gebot der Gewährung des rechtlichen Gehörs entsprechend den Beteiligten vorher die Person bekannt zu geben, die sie zum Sachverständigen ernennen will, sofern nicht Gefahr im Verzug vorliegt (§ 96 Abs. 1 Satz 2 AO). Abgesehen von solchen Fällen, in denen unter den gegebenen Umständen eine Verzögerung nicht hingenommen werden kann, ist also den Beteiligten schon so frühzeitig Gelegenheit zu geben, sich über eventuelle Gründe für die Ablehnung des in Aussicht genommenen Sachverständigen klar zu werden.
II. Ablehnung von Sachverständigen
1. Ablehnungsgründe
Tz. 5
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Beteiligten können nach § 96 Abs. 2 Satz 1 AO einen Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnen, wenn entweder ein Grund vorliegt, der Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen rechtfertigen kann oder wenn von der Tätigkeit des Sachverständigen die Verletzung eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses oder Schaden für die geschäftliche Tätigkeit eines Beteiligten zu befürchten ist. Hinsichtlich der Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen gelten die gleichen Grundsätze wie bei der Ablehnung einer Gerichtsperson wegen Besorgnis der Befangenheit gem. § 51 FGO, s. § 51 FGO Rz. 6. Durch die zweite Alternative sollen die Beteiligten vor Schäden bewahrt werden, die ihnen aus der Offenlegung ihrer Verhältnisse entstehen können, ohne die der Sachverständige seine Aufgabe nicht erfüllen kann. Dabei ist insbes. an die Möglichkeit bewusster oder unbewusst fahrlässiger Benutzung von Betriebsgeheimnissen und geschäftlichen Beziehungen zu denken. Durch die Ablehnungsmöglichkeit soll das Vertrauen zur Person des Sachverständigen sichergestellt werden. Neben diesem Ablehnungsrecht haben die Beteiligten selbstverständlich auch das Recht, sich im Übrigen zur Person des in Aussicht genommenen Sachverständigen zu äußern, insbes. ihrer in § 90 Abs. 1 Satz 2 AO festgelegten Mitwirkungspflicht dadurch zu genügen, dass sie ihnen bekannte und nach ihrer Ansicht noch besser geeignete Sachverständige benennen. Allerdings werden in diesem Fall nicht selten Zweifel gegen die Unparteilichkeit bestehen, die die Finanzbehörde bei ihrer Auswahlentscheidung zu beachten hat (zur Auswahl s. Rz. 3).
Zu beachten ist ferner, dass auch die Ausschlussgründe des § 82 AO Anwendung finden.
2. Verfahren
Tz. 6
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Ablehnung ist der Finanzbehörde gegenüber unverzüglich nach Bekanntgabe der Person des Sachverständigen, jedoch spätestens innerhalb von zwei Wochen unter Glaubhaftmachung der Ablehnungsgründe geltend zu machen (§ 96 Abs. 2 Satz 2 AO). Nach Ablauf dieser zwei Wochen ist eine Ablehnung nur noch zulässig, wenn der Ablehnungsgrund vorher nicht geltend gemacht werden konnte (§ 96 Abs. 2 Satz 3 AO). Die Befristung soll verhindern, dass die Beteiligten eventuelle Ablehnungsgründe erst dann vorbringen, wenn das Gutachten für sie ungünstig ausgefallen ist. Zugleich soll einer Verfahrensverschleppung entgegengewirkt werden.
Auf die Befristung des Ablehnungsrechts sollte zweckmäßigerweise bei der Mitteilung der Person des in Aussicht genommenen Sachverständigen hingewiesen werden. Ein Grund, der den Ablehnungsberechtigten i. S. des § 96 Abs. 2 Satz 3 AO an der rechtzeitigen Geltendmachung des Ablehnungsgrundes gehindert hat, kann nur anerkannt werden, wenn der Beteiligte trotz sorgfältiger Erkundigungen den Ablehnungsgrund erst später erfahren hat. Die Finanzbehörde ist nicht verpflicht...