Karl Blesinger, Dr. Andreas Viertelhausen
Tz. 7
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Ihrem Umfang nach reicht die Haftung nicht weiter als der strafbare Vorsatz des Haftenden. Ging dieser Vorsatz z. B. nur auf Beteiligung an einem Teilstück einer Steuerhinterziehung, so umfasst die Haftung nur den entsprechenden Teil der hinterzogenen Steuer. Desgleichen kommt bei einem Täter, der in seinen Vorsatz nur die Verkürzung von Umsatz- und Einkommensteuer eingeschlossen hat, sich aber der Konsequenz der damit zusammenhängenden Verkürzung der Gewerbesteuer nicht bewusst geworden ist, Haftung für die verkürzte Gewerbesteuer nicht in Betracht.
Tz. 8
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Auch in Bezug auf den objektiven Tatbestand kann sich die Haftung nur auf diejenigen Beträge erstrecken, deren Verkürzung bzw. unrechtmäßige Gewährung sich als Ergebnis der Steuerhinterziehung bzw. Steuerhehlerei darstellt. Die Haftung bezieht sich auf den durch die vorsätzliche Verkürzungshandlung eingetretenen Schaden (ähnlich BFH v. 08.11.1988, VII R 78/85, BStBl II 1989, 118, wenngleich die Entscheidung den Schadensumfang (fälschlich) in die für die Heranziehung des Haftenden maßgeblichen Kriterien der Ermessensausübung einbezieht, s. § 191 AO Rz. 11). Auch eine nur psychische Unterstützung des Täters kann als kausaler Gehilfenbeitrag zur Verursachung des Schadens beitragen (BFH v. 30.12.1998, VII B 160/98, BFH/NV 1999, 902).
Tz. 9
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Haftung erstreckt sich auch auf die als Folge der Verkürzung gem. § 235 AO entstandenen Hinterziehungszinsen. Dies bedurfte einer ausdrücklichen Regelung, denn die Zinsen sind nicht durch die Steuerstraftat verkürzt, sondern eine Folge derselben. Für Haftungstatbestände, die nach dem 31.12.2016 verwirklicht werden (Art. 97 § 11 Abs. 3 EGAO), wird die Haftung auf die Nachzahlungszinsen nach § 233a AO ausgedehnt, die nach § 235 Absatz 4 AO auf die Hinterziehungszinsen angerechnet werden. Damit werden unterschiedliche Ergebnisse zwischen Fällen, in denen Nachzahlungszinsen nach § 233a AO festgesetzt und auf die Hinterziehungszinsen angerechnet wurden, und Fällen, in denen es aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht zur Festsetzung von Nachzahlungszinsen gekommen ist, künftig vermieden.
Tz. 10
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Das in § 370 Abs. 4 Satz 3 AO enthaltene Vorteilsausgleichsverbot findet auf § 71 AO keine Anwendung, weil es sonst zu einer Haftung für eine tatsächlich nicht geschuldete Steuer käme. Dies stünde im Widerspruch zum Grundsatz der Akzessorietät der Haftung (s. vor §§ 69 – 77 AO Rz. 2) und zum Schadensersatzcharakter des § 71 AO (s. Rz. 4). Aus dem gleichen Grund besteht keine Haftung, wenn trotz einer Steuerhinterziehung kein Steuerschaden entsteht, weil z. B. Verlustvorträge zu berücksichtigen waren (FG Nds v. 31.05.2012, 11 K 257/10, EFG 2012, 1716).