Karl Blesinger, Dr. Andreas Viertelhausen
Tz. 10
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 393 Abs. 3 Satz 1 AO stellt klar, dass Erkenntnisse, die die Finanzbehörde oder die Staatsanwaltschaft im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen rechtmäßig gewonnen hat, auch im Besteuerungsverfahren verwendet werden dürfen. Personen, die ihren steuerlichen Pflichten nicht ordnungsgemäß nachgekommen sind, sollen steuerlich nicht besser stehen wie steuerehrliche Personen. Die Rechtswidrigkeit z. B. eines Einkommenserwerbs rechtfertigt keine Entlastung von der Einkommensteuer (BR-Drs. 544/07, 108 unter Bezugnahme auf BVerfG v. 12.04.1996, 2 BvL 18/93, wistra 1996, 227).
Tz. 11
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 393 Abs. 3 Satz 2 AO bestimmt in Verbindung mit § 413 AO, dass der in Satz 1 niedergelegte Grundsatz auch dann gilt, wenn die Erkenntnisse dem Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis nach Art. 10 GG unterliegen. Voraussetzung ist aber, dass nach der StPO Auskunft an die Finanzbehörden erteilt werden darf. Entsprechendes gilt, wenn die Finanzbehörde die Erkenntnisse selbst im Rahmen einer strafrechtlichen Ermittlungsmaßnahme gewonnen hat (z. B. durch eine Telekommunikationsüberwachung, vgl. BT-Drs 16/7036, 25). Verwendungsbeschränkungen, wie sie sich z. B. aus § 161 Abs. 2 StPO für Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen nach § 100a StPO ergeben, sind zu beachten und bewirken ein Verwertungsverbot im Besteuerungsverfahren (BFH v. 26.02.2001, VII B 265/00, BStBl II 2001, 464; FG Ddorf v. 25.07.2007, 4 K 1174/06 VTa, Z, EU, EFG 2007, 1624: auch mittelbar z. B. durch Vorhalt in Befragung).
Tz. 12
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Gesetzesbegründung weist darauf hin, dass bei Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten Verletzter i. S. strafprozessualer Vorschriften der Fiskus ist (s. § 385 AO Rz. 1a). Die Verwertbarkeit der im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen gewonnenen Erkenntnisse durch die zuständige Finanzbehörde dient der zutreffenden Steuerfestsetzung und -erhebung. Das bedeutet, dass die Erkenntnisse auch im Besteuerungsverfahren verwendet werden dürfen, deren steuerliche Erheblichkeit im Strafverfahren und Besteuerungsverfahren gleichermaßen gegeben ist. Steuerliche Erkenntnisse aus der Telekommunikationsüberwachungsmaßnahme, die mit der Straftat, wegen der diese angeordnet wurde, nicht im Zusammenhang stehen und die auch selbst keine solche Maßnahme rechtfertigen würden, sind unverwertbar (s. § 477 Abs. 2 StPO; BFH v. 24.04.2013, VII B 202/12, BStBl II 2013, 987). Wird z. B. eine Telekommunikationsüberwachung wegen der Verkürzung von Umsatzsteuer (s. § 100a Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a StPO i. V. m. § 370 Abs. 3 Nr. 5 AO) angeordnet, können die gewonnen Erkenntnisse für die Festsetzung der verkürzten Umsatzsteuer verwendet werden. Ergeben sich aus den Erkenntnissen auch Hinweise auf die Verkürzung von Ertragsteuern, so könnte wegen dieser keine Telekommunikationsüberwachung angeordnet werden und es handelt sich auch nicht unbedingt um dieselbe Tat wie die Umsatzsteuerhinterziehung mit der weiteren Konsequenz, dass die Erkenntnisse für die Festsetzung dieser Steuer nicht verwendet werden dürfen (s. § 477 Abs. 2 StPO). Handelt es sich aber um eine prozessuale Tat können die Beweismittel dagegen auch wegen Nichtkatalogtaten verwertet werden (Wulf, wistra 2008, 321, 325). Nach anderer Ansicht ergibt sich ein Auskunftsanspruch gegenüber den Strafverfolgungsbehörden aus § 474 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StPO. Dem folge die Verwendungsbefugnis (Hellmann in HHSp, § 393 AO, Rz. 194, 199).
Tz. 13
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Straftaten nach der Abgabenordnung deretwegen die Telekommunikationsüberwachung angeordnet werden kann, sind nach § 100a Abs. 2 Nr. 2 Buchst a bis c StPO die Steuerhinterziehung unter den in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 AO genannten Voraussetzungen, der gewerbsmäßige, gewaltsame und bandenmäßige Schmuggel nach § 373 AO und die Steuerhehlerei im Falle des § 374 Abs. 2 AO.