Karl Blesinger, Dr. Andreas Viertelhausen
Tz. 13
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Selbstanzeigemöglichkeit ist nicht uneingeschränkt. Ähnlich wie beim Rücktritt vom Versuch nach § 24 StGB soll nur die Freiwilligkeit belohnt werden, nicht aber Handeln unter Druck. Daneben gibt es typische Situationen, die in § 371 Abs. 2 AO allerdings abschließend umschrieben werden, in denen es nicht sinnvoll wäre, das Selbstanzeigeverhalten zu belohnen, weil auch ohne Zutun des Betroffenen die zutreffenden Besteuerungsgrundlagen bereits bekannt sind oder doch zumindest vor der Aufklärung stehen. Es geht um Fälle, in denen vor dem Zugang der Selbstanzeige bei der Behörde (zum Zeitpunkt des Zugangs einer Erklärung bei Einlage in ein Postfach oder per Computerfax s. BFH v. 20.12.2006, X R 38/05, BStBl II 2007, 823) ein durch Abs. 2 bestimmtes anderes Geschehen seinen Lauf nimmt, das die nachträgliche Mitwirkung unerheblich werden lassen kann. Unabhängig davon muss auch eine fehlgeschlagene Selbstanzeige als Nachtatverhalten i. S. des § 46 Abs. 2 StGB bei der Strafzumessung zugunsten des Anzeigenden berücksichtigt werden.
Tz. 13a
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Durch das Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Geldwäsche und der Steuerhinterziehung sind die Ausschlussgründe in § 371 Abs. 2 AO ausgedehnt worden. Nach der neuen Nr. 1a sperrt bereits die Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung und Nr. 3 begrenzt die Fälle einer möglichen Selbstanzeige betragsmäßig auf 50 000 Euro je Tat. Ist das Verkürzungsvolumen höher greift aber ggf. § 398a AO als Verfolgungshindernis. Die verschärfte Rechtslage gilt nach Art. 97 § 24 EGAO für Selbstanzeigen, die nach dem 28.04.2011 bei der Finanzbehörde eingehen.
I. Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung (§ 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a AO)
Schrifttum
Kemper, Der neue Sperrtatbestand der Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung in § 371 AO, NZWiSt 2012, 56;
Pflaum, Selbstanzeige nach Prüfungsanordnung und Auswirkungen auf die Mitwirkung während einer Außenprüfung, StBp 2013, 217;
Harle/Olles, Prüfungsanordnung und Selbstanzeige, NWB 2014, 170.
Tz. 14
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Eine wirksame Selbstanzeige kann nach § 371 Abs. 2 Nr. 1 a AO nicht mehr abgegeben werden, wenn einem Tatbeteiligten (Täter oder Teilnehmer, s. § 28 Abs. 2 StGB) oder seinem Vertreter eine Prüfungsanordnung nach § 196 AO bekannt gegeben worden ist. Die Bekanntgabe gegenüber einem Beteiligten sperrt auch die Selbstanzeige durch einen anderen Beteiligten. Die Sperrwirkung greift auch bei der Bekanntgabe der Prüfungsanordnung an einen nicht an der Tat beteiligten Begünstigten ein. Der Gesetzgeber hat für die Fälle der Außenprüfung den Ausschlusstatbestand vom Zeitpunkt des Erscheinens des Prüfers (§ 371 Abs. 2 Nr. 1c AO) auf den der Bekanntgabe der Prüfungsanordnung vorverlegt. Er geht davon aus, dass bereits damit die Entdeckungsgefahr so groß geworden ist, dass die Honorierung der Selbstanzeige nicht mehr gerechtfertigt wäre.
Tz. 15
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Für die eintretende Sperre kommt es auf den Umfang des nach §§ 196, 197 AO bekannt gegebenen Prüfungsauftrages an (BGH v. 15.01.1988, 3 StR 465/87, wistra 1988, 151). Er bestimmt den Umfang der Prüfung nach Steuerarten und Zeiträumen. Außerhalb dieses Umfangs ist eine Selbstanzeige nicht gesperrt. Das stellt seit 2015 § 371 Abs. 2 Satz 2 AO wieder sicher. Eine Erweiterung der Sperrwirkung tritt im Übrigen erst ein, wenn der Prüfungsauftrag förmlich erweitert wird (BayObLG v. 23.01.1985, RReg 4 St 309/84, wistra 1985, 117; FG Bre v. 06.10.2004, 2 K 152/04 (1), EFG 2005, 15). Eine rechtswidrige aber wirksame Prüfungsanordnung ist so lange maßgeblich, wie sie nicht aufgehoben ist (offen gelassen BGH v. 16.06.2005, 5 StR 118/05, NJW 2005, 2723; rechtmäßiges Erscheinen: BayObLG v. 17.09.1986, RReg 4 St 155/86, wistra, 1987, 77; a. A. Harle/Olles, NWB 2014, 170). Hält der Steuerpflichtige die Prüfung für rechtswidrig, muss er die Prüfungsanordnung anfechten.
Tz. 16
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Sperrwirkung wird durch die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung gegenüber einem Tatbeteiligten (Täter oder Teilnehmer, s. § 28 Abs. 2 StGB), einem durch die Tat Begünstigten oder deren Vertreter ausgelöst. Als Vertreter i. S. von § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO kommen die in § 34 AO genannten Personen in Betracht, ferner Verfügungsberechtigte, soweit ihnen eine rechtsgeschäftliche Vertretungsbefugnis eingeräumt ist (§ 35 AO) und Verfahrensbevollmächtigte (§ 80 AO), soweit sie für einen Tatbeteiligten oder Begünstigten tätig sind. Durch die Einbeziehung der Bekanntgabe an den durch die Tat Begünstigten bezweckt das Gesetz ausweislich der Begründung, dass auch einem Tatbeteiligten gegenüber, dem weder selbst noch über seinen Vertreter die Prüfungsanordnung bekannt gegeben wurde von der Ausschlusswirkung betroffen ist (BT-Drs 18/3018, 11).
Tz. 17
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Zu den Ausschlusstatbeständen des § 371 Abs. 2 AO a. F. ist die Frage diskutiert worden, ob nach Erledigung des ausschließenden Ereignisses eine Selbstanzeigemöglichkeit wieder auflebt. Nunmehr muss man davon ausgehen, dass die Selbstanzeige ausg...