Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Mit Einverständnis der Beteiligten kann der Vorsitzende bzw. der Berichterstatter (§ 79a Abs. 4 FGO) auch sonst anstelle des Senats entscheiden (§ 79a Abs. 3 FGO). Die Einverständniserklärung, die von allen Beteiligten (§ 57 FGO) vorliegen muss, ist Prozesshandlung, die dem Gericht gegenüber vorzunehmen ist. Sie ist unwiderruflich und der Anfechtung (§§ 119, 123 BGB) nicht zugänglich (vgl. BFH v. 26.04.2005, VII B 83/04, BFH/NV 2005, 1592). Der BFH hat bislang offengelassen, ob der Widerruf einer dahingehenden Einverständniserklärung überhaupt zulässig ist (z. B. BFH v. 06.12.2016, III B 25/16, BFH/NV 2017, 469 m. Anm. Bartone, juris-PR SteuerR 49/2017). Nach seiner Rspr. ist die Erklärung eines Beteiligten, mit einer Entscheidung durch den konsentierten Einzelrichter einverstanden zu sein, eine Prozesshandlung, die dem Gericht gegenüber unmissverständlich abzugeben ist (BFH v. 13.11.2008, IX B 119/08, juris). Er stellt aber die Frage, ob ein Widerruf einer Einverständniserklärung grds. möglich ist – bejahendenfalls, müsste der Widerruf jedenfalls klar, eindeutig und vorbehaltlos gegenüber dem Gericht erklärt werden (BFH v. 13.11.2008, IX B 119/08, juris). Er hält den Widerruf einer Einverständniserklärung mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter nach § 79a Abs. 3 und 4 FGO jedenfalls dann für ausgeschlossen, soweit sich die Prozesslage bei objektiver Betrachtung nachträglich nicht wesentlich geändert hat (BFH v. 10.02.2011, II S 39/10 [PKH], BStBl II 2011, 657 m. Anm. Steinhauff, AO-StB 2011, 107; BFH v. 12.01.2016, X B 79/15, BFH/NV 2016, 763; BFH v. 12.01.2016, X B 79/15, BFH/NV 2016, 763; BFH v. 06.12.2016, III B 25/16, BFH/NV 2017, 469 m. Anm. Bartone, juris-PR SteuerR 49/2017). Dies impliziert, dass er den Widerruf bei einer wesentlichen Änderung der Prozesslage entgegen der hier vertretenen Auffassung für prinzipiell möglich hält. Sie ist unwirksam, wenn sie an eine Bedingung geknüpft wird. Als eine solche Bedingung ist auch die Einschränkung anzusehen, das Einverständnis gelte nur für den Fall der Entscheidung durch Gerichtsbescheid (a. A. Seer in Tipke/Kruse, § 79a FGO Rz. 22). M. E. bedarf sie grds. der Schriftform (Schriftsatz oder Protokoll des Urkundsbeamten). Sie kann aber bspw. in einem Erörterungstermin (§ 79 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 FGO) zu Protokoll erklärt werden, aber auch schon in einem frühen Zeitpunkt des Verfahrens; spätestens muss sie in der mündlichen Verhandlung bzw. vor Ergehen einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren vorliegen. Sie kann auch verbunden werden mit der weiteren Prozesshandlung des Verzichts auf mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO). Sobald die übereinstimmenden Einverständniserklärungen vorliegen, tritt der Vorsitzende bzw. der Berichterstatter an die Stelle des Senats, er ist dann in seiner Eigenschaft als konsentierter Einzelrichter auch zu den in § 79a Abs. 1 FGO genannten Entscheidungen zuständig. Gleichwohl kann der Senat entscheiden (BFH v. 18.08.2005, VI R 7/03, BFH/NV 2006, 271; s. Rz. 5).
Tz. 5
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
An die Einverständniserklärung der Beteiligten ist der Vorsitzende bzw. der Berichterstatter nicht gebunden; er braucht nicht von der ihm damit eröffneten Möglichkeit, als Einzelrichter zu entscheiden, Gebrauch zu machen, sollte es aber, weil weitere Voraussetzungen (anders als für die Übertragung nach § 6 FGO) nicht erfüllt sein müssen. Allerdings sollte der Berichterstatter/Vorsitzende sich von den Wertungen des § 6 Abs. 1 FGO leiten lassen, mag § 79a Abs. 3 FGO auch Ausdruck der prozessualen Dispositionsbefugnis der Beteiligten sein (vgl. auch Seer in Tipke/Kruse, § 79a FGO Rz. 17). Der konsentierte Einzelrichter tritt auch in Bezug auf die Beweiserhebung an die Stelle des Senats.
Tz. 6
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Das Einverständnis der Beteiligten umfasst nicht nur die nächste anstehende oder eine solche vorbereitende (Sach-)Entscheidung des Einzelrichters, sondern reicht bis zur Endentscheidung (h. M., vgl. z. B. Stalbold in Gosch, FGO § 79a Rz. 61; Stapperfend in Gräber, § 79a FGO Rz. 26; Thürmer in HHSp, § 79a FGO Rz. 117; einschränkend Fu in Schwarz, § 79a FGO Rz. 23; offengelassen in BFH v. 06.12.2016, III B 25/16, BFH/NV 2017, 469 m. Anm. Bartone, juris-PR SteuerR 49/2017). Der konsentierte Einzelrichter kann daher durch Urteil entscheiden aber auch durch Gerichtsbescheid. Entscheidet er durch Urteil, sind dagegen die nämlichen Rechtsmittel gegeben wie gegen ein Urteil des Senats, also Revision bzw. NZB. Zu beachten ist, dass eine auf § 119 Nr. 1 FGO gestützte Revision nur dann Erfolg haben kann, wenn dargetan wird, der Vorsitzende bzw. der Berichterstatter habe ohne Einverständnis der Beteiligten als Einzelrichter entschieden; ein Vortrag dahingehend, zwar habe das Einverständnis vorgelegen, doch hätte der Vorsitzende bzw. der Berichterstatter davon keinen Gebrauch machen dürfen, genügt nicht. Gegen einen Gerichtsbescheid des Vorsitzenden oder des Berichterstatters als konsen...