I. Formell ordnungsgemäße Fristsetzung
Tz. 5
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Ungeschrieben Voraussetzung für die Präklusion ist, dass die Fristsetzung formell ordnungsgemäß erfolgt sein muss. Dazu gehört folgendes: Die entsprechende Verfügung muss vom Vorsitzenden bzw. vom Berichterstatter im Volltext unterschrieben werden (s. BFH v. 09.04.1991, IX R 57/90, BFH/NV 1992, 51) hinsichtlich der Formalia gelten die Ausführungen in § 62 FGO Rz. 17 entsprechend). Die Frist muss angemessen sein; dazu schreibt das Gesetz keine Mindestfrist vor, maßgebend sind vielmehr die Umstände des Einzelfalls (BFH v. 23.02.2004, VII B 162/03, BFH/NV 2004, 1063; dazu s. § 65 FGO Rz. 9). Wichtig ist, dass der Beteiligte über die Folgen der Fristversäumung ausdrücklich belehrt wird (s. § 79b Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FGO; s. Rz. 8). Die Anordnung ist zuzustellen (§ 53 FGO; s. BFH v. 24.06.1999, V R 1/99, BFH/NV 1999, 1616).
II. Kein nur geringer Ermittlungsaufwand (§ 79b Abs. 3 Satz 3 FGO)
Tz. 6
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Das Gericht hat zu prüfen, ob es mit geringem Aufwand möglich ist, den Sachverhalt auch ohne Mitwirkung der Beteiligten zu ermitteln (§ 79b Abs. 3 Satz 3 FGO). Diese Negativvoraussetzung für die Präklusion kann begrifflich nicht vorliegen, soweit der Kläger einer Anordnung unter Fristsetzung nach § 79b Abs. 1 FGO nicht nachgekommen ist (auch Stapperfend in Gräber, § 79b FGO Rz. 45). Denn insoweit sollte die von ihm abzugebende Erklärung es ihm ermöglichen, seiner prozessualen Darlegungspflicht ergänzend nachzukommen, ganz abgesehen davon, dass es dem Gericht nicht möglich ist, die subjektive Vorstellung des Klägers, in welcher Beziehung er sich beschwert fühlt, ohne ihn zu klären. Anders verhält es sich bei Fristsetzung nach § 79b Abs. 2 FGO, zumal dann, wenn sich die Maßnahme aus nachträglicher Sicht als überflüssig erweist.
III. Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreits (§ 79b Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO)
Tz. 7
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Das Gericht darf das verspätet Vorgebrachte nur dann zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden, wenn die Zulassung der Erklärungen und Beweismittel nach seiner freien Überzeugung, d. h. ohne an starre Regeln gebunden zu sein, die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde. Streitig ist, ob die letztgenannte Voraussetzung aus einem Vergleich der Prozessdauer bei Zulassung und ohne Zulassung abzulesen ist (in diesem Sinn BGH v. 12.07.1979, VII ZR 284/78, BGHZ 75, 138; BGH v. 31.01.1980, VII ZR 96/79, BGHZ 76, 133) oder ob auf die vermutliche Prozessdauer bei rechtzeitigem Vorbringen als Vergleichsposten abzuheben ist. Im Lichte der Rspr. des BVerfG (BVerfG v. 05.05.1987, 1 BvR 903/85, BVerfGE 75, 302; BVerfG v. 21.02.1990, 1 BvR 1117/89, BVerfGE 81, 264) erscheint nur die letztgenannte Auffassung wirklich vertretbar, denn § 79b Abs. 3 FGO kann nicht den Zweck haben, das Verfahren schneller abschließen zu können, als es bei rechtzeitigem Vortrag der Fall gewesen wäre. Ist die Sache ohnehin (aus anderen Gründen) noch nicht entscheidungsreif, dürfte die Zulassung der Erklärungen usw. die Erledigung des Rechtsstreits kaum verzögern können. Werden die Erklärungen usw. erst in der mündlichen Verhandlung vorgebracht und müsste der Senat, weil es dem Gegner nicht zumutbar ist, sofort Stellung zu nehmen, die Sache vertagen, ist jedenfalls die Erledigung des Rechtsstreits verzögert. Im Übrigen kann nur auf die Umstände des Einzelfalles abgehoben werden. Bei der Ausübung des Ermessens nach § 79b Abs. 3 Satz 1 FGO müssen die Grundsätze rechtsstaatlicher Verfahrensgestaltung berücksichtigt werden. Die Anwendung von § 79b Abs. 1 Satz 1 FGO kommt insbes. nicht in Betracht, wenn richterliches Fehlverhalten, namentlich eine unzulängliche Verfahrensleitung oder eine Verletzung der gerichtlichen Fürsorgepflicht die Verzögerung mitverursacht hat (BVerfG v. 21.02.1990, 1 BvR 1117/89, BVerfGE 81, 264, m. w. N.).
IV. Belehrung über die Folgen der Fristversäumung (§ 79b Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FGO)
Tz. 8
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Hinzutreten muss, dass der Beteiligte über die Folgen der Fristversäumnis in der Anordnung eindeutig und in verständlicher Weise belehrt worden war. Es bietet sich z. B. folgender Text an: "Ich weise Sie ausdrücklich darauf hin, dass das Gericht Beweismittel, die erst nach Ablauf dieser Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden kann, wenn die Zulassung dieser Beweismittel nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und die Kläger die Verspätung nicht genügend entschuldigen (§ 79b Abs. 3 Satz 1 FGO)". Eine weitergehende Belehrung über die gesetzlichen Voraussetzungen der Präklusion oder der Hinweis auf die Möglichkeit, Entschuldigungsgründe vorzutragen, ist nicht erforderlich (BFH v. 17.01.2006, VIII B 35/05, BFH/NV 2006, 957). Die bloße Aufforderung des FG zu ergänzenden Ausführungen ohne einen solchen Hinweis ist keine Aufforderung nach § 79b FGO, sodass die Anwendung des § 79b Abs. 3 Satz 1 FGO (s. Rz. 10) ausgeschlossen ist (BFH v. 15.04.2015, VIII R 65/13, juris).
V. Keine genügende Entschuldigung im Fall der Fristversäumung (§ 79b Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 FGO)
Tz. 9
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Präklusion tritt bei Vorliegen der bereits genannten Voraussetzungen ein, wenn der Kläger die geforderten Tatsachen oder Beweismittel nic...