Katharina Wagner, Dr. Klaus J. Wagner
I. Voraussetzungen der Nichtigkeits- und Restitutionsklage
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Voraussetzung der Erhebung einer Wiederaufnahmeklage ist – entsprechend § 40 Abs. 2 FGO – eine Beschwer des Klägers, und zwar dergestalt, dass ihm die anzufechtende Entscheidung etwas versagt, was er im finanzgerichtlichen Verfahren in zulässiger Weise beantragt hatte.
Zur Statthaftigkeit der Klage gehört – abgesehen von dem Erfordernis, dass sich der Rechtsbehelf gegen ein rechtskräftiges Urteil bzw. einen Beschluss richtet (BFH v. 08.12.2010, IX R 12/10, BFH/NV 2011, 445) –, dass in der Klage mindestens einer der im Gesetz (ZPO) aufgeführten Nichtigkeits- oder Restitutionsgründe schlüssig behauptet wird (st. Rspr., u. a. BFH v. 08.07.2015, VI B 5/15, BFH/NV 2015, 1426). Nicht erforderlich ist, dass die Bezeichnungen "Nichtigkeitsklage" oder "Restitutionsklage" verwendet werden; es genügt, wenn sich schlüssig ergibt, welche dieser Klagearten gemeint ist (BFH v. 18.03.1988, V K 1/88, BStBl II 1988, 586). Soweit Wiederaufnahme eines durch Beschluss (§ 116 Abs. 5 FGO) beendeten NZB-Verfahrens begehrt wird, tritt an die Stelle der Wiederaufnahmeklage der Wiederaufnahmeantrag.
Tz. 5
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Der Nichtigkeitsklage gebührt insofern Vorrang, als zunächst über die auf § 579 ZPO gestützte Klage zu befinden ist, wenn zugleich eine Restitutionsklage aus § 580 ZPO eingereicht wird; s. § 579 Abs. 2 ZPO. Die Nichtigkeitsgründe sind in § 579 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 ZPO abschließend aufgezählt. Sie stimmen in § 579 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 mit den absoluten Revisionsgründen des § 119 Nr. 1, 2 und 4 FGO überein. § 579 Abs. 1 Nr. 3 erwähnt zusätzlich die Mitwirkung eines als befangen abgelehnten Richters.
Tz. 6
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Erhebung der Restitutionsklage hat in den Fällen des § 580 Nr. 1 bis 5 ZPO zur Voraussetzung, dass wegen der strafbaren Handlung eine rechtskräftige Verurteilung ergangen ist oder die Einleitung oder Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweisen – insbes. wegen Verjährung, Tod, Geringfügigkeit der Tat – nicht erfolgen kann (§ 581 Abs. 1 ZPO). Die § 580 Nr. 5 bis 8 ZPO betreffen Abweichungen der finanzgerichtlichen Entscheidung von anderen Entscheidungen oder nach dem Auffinden entscheidungserheblicher Unterlagen. Die Restitutionsklage setzt weiter voraus, dass der Restitutionsgrund ohne Verschulden der Partei im finanzgerichtlichen Verfahren nicht geltend gemacht werden konnte (§ 582 ZPO¸ BFH v. 27.10.2015, I B 27/14, BFH/NV 2016, 749).
II. Verfahren
Tz. 7
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Beteiligte der Wiederaufnahmeklage sind diejenigen, die im vorausgegangenen finanzgerichtlichen Verfahren Beteiligte (§ 57 FGO bzw. § 122 FGO) waren (BFH v. 17.10.1990, I K 2/89, BFH/NV 1991, 751; BFH v. 27.10.1992, VII R 71/92, BFH/NV 1993, 314).
Tz. 8
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Zuständiges Gericht ist grundsätzlich das Gericht, das über die Klage den Beschluss entschieden hat, also das FG oder der BFH (BFH v. 26.03.1998, XI S 31/97, BFH/NV 1998, 1239; BFH v. 02.01.2009, V K 1/07, BFH/NV 2009, 1125). Hat der Einzelrichter nach § 6 FGO entschieden, ist dieser auch für die Entscheidung über das Wiederaufnahmeverfahren berufen, nicht der Vollsenat. Beim konsentierten Einzelrichter nach § 79a Abs. 4, Abs. 4 FGO soll indes das ursprüngliche Einverständnis der Beteiligten für das Wiederaufnahmeverfahren verbraucht sein (BFH v. 02.12.1998 X R 15 u. 16/97, BStBl II 1999, 412). Ist eine Entscheidung des BFH ergangen und wird die Wiederaufnahme auf § 579 oder § 580 Nr. 4 oder 5 ZPO gestützt, so muss die Wiederaufnahmeklage beim BFH angebracht werden (§ 584 ZPO); Letzteres gilt auch, soweit mit der Klage tatsächliche Feststellungen des BFH zur Verwerfung der Revision angegriffen werden (BFH v. 04.07.1991, IV K 1/90, BStBl II 1991, 813). Zuständig ist der BFH auch (trotz § 134 FGO i. V. m. § 584 Abs. 1 ZPO), obwohl keine tatsächlichen Feststellungen angefochten werden, wenn ausschließlich geltend gemacht wird, das Revisionsgericht habe seine Entscheidung auf ein Urteil gestützt, dem das BVerfG nicht gefolgt sei (BFH v. 17.07.1985, II K 1/84, BFH/NV 1986, 164). Desgleichen ist er zur Entscheidung über eine Restitutionsklage gegen ein von ihm erlassenes Urteil zuständig, mit der vorgetragen wird, dieses Urteil weiche von anderen Entscheidungen des BFH bzw. einem in einer anderen Sache ergangenen Beschluss des Großen Senats des BFH ab (BFH v. 04.07.1991, IV K 1/90, BStBl II 1991, 813; BFH v. 25.02.1992, IV K 1/91, BStBl II 1992, 625).
Tz. 9
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Klage ist binnen eines Monates seit Beginn des Tages zu erheben, an dem die Partei von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erhalten hat. Die Frist beginnt nicht vor Eintritt der Rechtskraft der finanzgerichtlichen Entscheidung. Sie ist Ausschlussfrist, kann daher nicht verlängert werden; bei Versäumung ohne Verschulden kommt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht (§ 56 FGO). Nach Ablauf von fünf Jahren nach Eintritt der Rechtskraft des finanzgerichtlichen Ur...