Tz. 16
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Verfahrenseinleitende Willenserklärungen dürfen keine Zweifel an ihrem Erklärungsinhalt zulassen. Der Einspruch "soll" deshalb grundsätzlich folgende Aussagen treffen:
I. Bezeichnung des Verwaltungsaktes
Tz. 17
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Zunächst ist der Verwaltungsakt zu bezeichnen, gegen den der Einspruch gerichtet ist. Mit der Bezeichnung des Verwaltungsakts begrenzt der Einspruchsführer den Einspruchsgegenstand. Eine ausdrückliche Bezeichnung des Verwaltungsaktes mit Datum etc. ist nicht erforderlich, solange er aus dem Inhalt der Erklärungsschrift und dem Akteninhalt hinreichend bestimmbar ist (FG Sa v. 08.02.1994, 1 K 32/93, EFG 1994, 820).
Tz. 18
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Bei nicht zweifelsfreier Bezeichnung des Verwaltungsakts ist das Gewollte im Wege der Auslegung zu ermitteln. Auch Umstände, die außerhalb der Einspruchserklärung liegen, können herangezogen werden (BFH v. 13.11.1998, VII B 236/98, BFH/NV 1999, 591; BFH v. 28.11.2001, I R 93/00, BFH/NV 2002, 613). Es gilt grundsätzlich der Verwaltungsakt als angefochten, dessen Anfechtung das erkennbar angestrebte erreichen lässt (BFH v. 11.09.1986, IV R 11/83, BStBl II 1987, 5). Dabei sollte es, wie bereits bei der Frage des Einspruchsführers, zulässig sein, durch klärende Rückfragen zu erfahren, welcher Verwaltungsakt angefochten werden soll (so Seer in Tipke/Kruse, § 357 AO Rz. 14). Ist der angefochtene Verwaltungsakt eindeutig bezeichnet oder wird der Steuerpflichtige von einem Rechtsanwalt oder Steuerberater vertreten, kann nicht gegen die Erklärung der Einspruch auf einen anderen oder weiteren Verwaltungsakt ausgedehnt werden (BFH v. 01.09.1998, VIII R 46/93, BFH/NV 1999, 596; BFH v. 15.12.1998, I B 45/98, BFH/NV 1999, 751; BFH v. 29.07.1992, IV B 44/91, BFH/NV 1993, 2).
II. Umfang der Anfechtung
Tz. 19
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Der Einspruch "soll" auch erkennen lassen, inwieweit der Verwaltungsakt angefochten werden soll. Die Erklärung hat für den Umfang der Prüfung jedoch keine Bedeutung, da das Einspruchsverfahren nicht auf bestimmte Streitfragen begrenzt werden kann (§ 367 Abs. 2 Satz 1 AO). Der Antrag hat jedoch Bedeutung für die Festsetzungsverjährung (s. § 171 Abs. 3a AO).
III. Einspruchsbegründung
Tz. 20
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Der Einspruchsführer "soll" die Tatsachen, die zur Begründung dienen und die Beweismittel anführen (§ 357 Abs. 3 Satz 3 AO). Diese Aufforderung bezieht sich in erster Linie auf tatsächliche Ausführungen und Sachverhaltsaufklärungen. Da das Einspruchsverfahren Teil des Verwaltungsverfahrens ist, kann der Einspruchsführer auch Tatsachen vortragen, die im Besteuerungsverfahren noch nicht vorgetragen wurden (Seer in Tipke/Kruse, § 357 AO Rz. 20). Die fehlende Begründung führt nicht zur Unzulässigkeit des Einspruchs, kann aber den Umfang der Ermittlungen der Finanzbehörde beeinflussen (Siegers in HHSp, § 357 AO Rz. 65 ff.). Zwar gilt auch im Einspruchsverfahren der Amtsermittlungsrundsatz; jedoch ist die Finanzbehörde nicht verpflichtet, den gesamten Sachverhalt ohne Anhaltspunkte erneut zu ermitteln BFH v. 30.04.1965, III 25/65, BStBl III 1965, 464).
Tz. 21
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Trotz des Charakters der in § 357 Abs. 3 AO getroffenen Vorschriften als Sollbestimmungen, ergibt sich eine Mitwirkungspflicht immer dann, wenn der Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt ist (§ 365 Abs. 1 AO i. V. m. § 90 AO).