Tz. 17
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Verletzung der den Beteiligten treffenden Mitwirkungspflichten kann je nach den Umständen unterschiedliche Konsequenzen haben. Nach § 162 Abs. 2 AO ist die Finanzbehörde zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen berechtigt und verpflichtet, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides Statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 AO verletzt. Daneben ist die Erfüllung der Darlegungspflicht des Beteiligten vor allem für die Frage bedeutsam, ob Steuerbescheide gem. § 173 AO wegen nachträglich bekannt gewordener Tatsachen oder Beweismittel aufgehoben oder geändert werden können. Insbesondere setzt eine derartige Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids wegen neuer Tatsachen oder Beweismittel, die zu einer niedrigeren Steuer führen, voraus, dass den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden (§ 173 Abs. 1 Nr. 2 AO). Verletzen sowohl das FA die Ermittlungspflicht als auch der Stpfl. seine Mitwirkungspflicht, bedarf es einer Abwägung der beiderseitigen Pflichtverstöße. Dabei kann das Überwiegen der Amtsermittlungsverpflichtung des FA einer Änderung der Steuerfestsetzung zuungunsten des Stpfl. entgegenstehen (BFH v. 18.08.2010, X B 178/09, BFH/NV 2010, 2010). Auch im Haftungsverfahren ist der (mögliche) Haftungsschuldner zur Mitwirkung verpflichtet. Verletzt der Haftungsschuldner seine Mitwirkungspflicht, kann das FA die Pflichtverletzung bei der Ermittlung der Haftungsquote im Schätzungswege berücksichtigen (BFH v. 26.10.2011, VII R 22/10, BFH/NV 2012, 779; v. 19.11.2012, VII B 126/12, BFH/NV 2013, 504).
Tz. 18
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Im Übrigen kann die Verletzung der Mitwirkungspflichten auch im Rahmen der Beweiswürdigung von Bedeutung sein. Je mehr der Stpfl. seine Mitwirkungspflichten vernachlässigt, desto eher kann die Finanzbehörde den ihr bekannten Sachverhalt ohne weitere Ermittlungen zulasten des Stpfl. würdigen. Dies gilt insbes. in den Fällen der erhöhten Mitwirkungspflicht nach Abs. 2. Es handelt sich aber weder um eine Beweislastumkehr, noch um die Begründung einer subjektiven Beweislast zulasten des Stpfl. Betroffen ist aber neben der Beweiswürdigung das Beweismaß in Bezug auf den entscheidungserheblichen Sachverhalt. Die Folgen der Verletzung der Aufzeichnungspflichten des § 90 Abs. 3 AO sind in § 162 Abs. 3 und 4 AO geregelt. Allerdings eröffnen Mängel bei der Stammdatendokumentation den Anwendungsbereich von § 162 Abs. 3 und 4 AO nicht. Die Stammdatendokumentation betrifft keine Geschäftsvorfälle und kann daher keine hinreichende Grundlage für konkrete Schätzungen darstellen; s. § 162 AO Rz. 29.