Karl Blesinger, Dr. Andreas Viertelhausen
Tz. 15
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Während die formelle Beteiligteneigenschaft (s. §§ 78, 186, 359 AO) wie auch die Handlungsfähigkeit (s. § 79 AO) geregelt sind, fehlt es an einer gesetzlichen Definition der Beteiligtenfähigkeit, d. h. der Fähigkeit, Rechtssubjekt eines abgabenrechtlichen Verfahrens zu sein. Diese materielle Beteiligungsfähigkeit kommt jedem zu, der Träger formeller oder materieller abgabenrechtlicher Pflichten sein kann. Diese Steuerrechtsfähigkeit ist nicht deckungsgleich mit der zivilrechtlichen Rechtsfähigkeit, sondern geht darüber hinaus. Die Steuerrechtsfähigkeit als eine speziell öffentlich-rechtliche Fähigkeit braucht sich nicht auf alle Gebiete des Steuerrechts zu erstrecken. So ist beispielsweise eine Personengesellschaft zwar grunderwerbsteuerrechtsfähig (BFH v. 11.02.1987, II R 103/84, BStBl II 1987, 325) und Umsatzsteuerrechtssubjekt (BFH v. 27.06.1995, V R 36/94, BStBl II 1995, 915), sie ist aber weder einkommen- noch körperschaftsteuerrechtsfähig (zur Gewerbesteuer s. § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG). Steuerrechtsfähigkeit ist – soweit sie über die Rechtsfähigkeit nach bürgerlichem Recht hinausgeht – stets Teilrechtsfähigkeit (Drüen in Tipke/Kruse, § 33 AO Rz. 27).
I. Natürliche Personen
Tz. 16
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Bei natürlichen Personen beginnt die Steuerrechtsfähigkeit – wie die zivilrechtliche Rechtsfähigkeit – mit der Vollendung der Geburt (s. § 1 BGB) und endet – wie diese – mit dem Tode (für Verschollene s. § 49 AO; zum Übergang der Steuerschuld s. § 45 AO).
II. Juristischen Personen des Privatrechts
Tz. 17
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Steuerrechtsfähigkeit juristischer Personen des Privatrechts beginnt nicht stets erst mit deren Entstehung nach den einschlägigen Vorschriften (s. § 41 AktG, § 11 GmbHG), sondern erfasst schon die Gründungsgesellschaft (Stadium zwischen Abschluss des Gesellschaftsvertrages [Bestimmung der Satzung] bis zur Entstehung kraft Registereintragung), die mit der späteren Kapitalgesellschaft identisch ist (BFH v. 14.10.1992, I R 17/92, BStBl II 1993, 353). Die Steuerrechtsfähigkeit endet mit dem Untergang infolge Verschmelzung oder Umwandlung (zum Übergang der Steuerschuld s. § 45 AO), nicht aber mit der (ohnehin nur deklaratorischen) Löschung im Handelsregister. Im letzten Fall bleibt sie so lange steuerrechtsfähig, solange sie steuerrechtliche Pflichten zu erfüllen hat oder gegen sie ergangene Steuerbescheide angreift (BFH v. 26.03.1980, I R 111/79, BStBl II 1980, 587), und zwar unabhängig davon, ob sie vermögenslos ist (anders im Zivilrecht, BGH v. 21.10.1985, II ZR 82/85, WM 1986, 145).
III. Öffentlich-rechtliche Gebilde
Tz. 18
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Wieweit juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliche Gebilde Träger steuerrechtlicher Rechte und Pflichten sind, richtet sich allein nach den Steuergesetzen (s. § 1 Abs. 1 Nr. 6 und § 4 KStG, § 2 Abs. 3 UStG).
IV. Nichtrechtsfähige Vereine u. Ä.
Tz. 19
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Hinsichtlich der Steuerrechtsfähigkeit von nichtrechtsfähigen Vereinen s. § 54 BGB, wegen der Anstalten, Stiftungen und anderen Zweckvermögen des privaten Rechts s. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG.
V. Personengesellschaften
Tz. 20
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Auch die Steuerrechtsfähigkeit der Personengesellschaften (OHG, KG, Gesellschaft des bürgerlichen Rechts) richtet sich nach materiellem Steuerrecht. Sie sind beispielsweise umsatz- und grunderwerbsteuerpflichtig sowie Schuldner der Gewerbesteuer. Im Anschluss an die geänderte BGH-Rechtsprechung zur Teil-Rechtsfähigkeit der GbR nimmt der BFH nun auch im Verfahren zur einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung die Beteiligtenfähigkeit der GbR (BFH v. 18.05.2004, IX R 83/00, BStBl II 2004, 898), wie auch der Bruchteilsgemeinschaft (BFH v. 18.05.2004, IX R 49/02, BStBl II 2004, 929) im finanzgerichtlichen Verfahren an. Ihre Steuerrechtsfähigkeit endet weder mit ihrer Auflösung noch mit dem Ende der Auseinandersetzung über das Aktivvermögen (anders im Fall des liquidationslosen Übergangs auf eine Person gem. oder entsprechend § 142 HGB oder in anderen Fällen liquidationslosen Fortfalls der Gesamthandsbindung, BFH v. 21.10.1985, GrS 4/84, BStBl II 1986, 230), sondern besteht so lange fort, solange das Rechtsverhältnis zwischen ihr und der Finanzbehörde nicht abgewickelt ist (BFH v. 24.03.1987, X R 28/80, BStBl II 1988, 316; BFH v. 01.10.1992, IV R 60/91, BStBl II 1993, 82 m. w. N.).