Karl Blesinger, Dr. Andreas Viertelhausen
Tz. 9
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Neben der in Rz. 7 behandelten Beschränkung der Haftung auf sog. Betriebsteuern wird der Umfang der Haftung dadurch gekennzeichnet, dass nur für Steuern gehaftet wird, die während des Bestehens der wesentlichen Beteiligung entstanden sind (§ 74 Abs. 1 Satz 2 AO). Maßgeblich ist der Entstehungszeitpunkt i. S. des § 38 AO. Darüber hinaus muss auch das Eigentum an den dem Betrieb dienenden Gegenständen im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer bestehen.
Tz. 10
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Haftung der wesentlich beteiligten Person ist eine persönliche aber dinglich beschränkte Haftung. Der Eigentümer der Gegenstände ist zwar zur Zahlung verpflichtet, die Finanzbehörde kann den Haftungsanspruch jedoch grundsätzlich nur durch Zugriff auf die betreffenden Gegenstände im Vollstreckungsweg erzwingen (s. § 75 AO Rz. 25), weswegen das FA die Haftungsschuld auch nicht mit Erstattungsansprüchen des Haftungsschuldners verrechnen darf (BFH v. 28.01.2014, VII R 34/12, BStBl II 2014, 551). Auf einem Grundstück lastende Grundpfandrechte verringern nicht den Umfang der Haftung, sie wirken sich erst im Vollstreckungsverfahren aus (BFH v. 13.11.2007, VII R 61/06, BStBl II 2008, 790). Der Erlass eines Haftungsbescheides setzt auch nicht voraus, dass der Haftende im Zeitpunkt seiner Inanspruchnahme noch Eigentümer des Gegenstandes ist. Deshalb können auch Surrogate (Ersatzwerte oder Ersatzansprüche in Geld) herangezogen werden, insoweit enthält § 285 BGB einen verallgemeinerungsfähigen Gedanken (BFH v. 22.11.2011, VII R 63/10, BStBl II 2012, 223). Die Gegenauffassung (z. B. FG Köln v. 09.12.1999, 15 K 1756/01, EFG 2000, 203; Haritz, DStR 2012, 883 sieht in § 74 AO eine Ausnahmevorschrift zum Haftungskonzept nach dem GmbHG, die daher restriktiv auszulegen sei) würde bewirken, dass zwischen der persönlichen Haftung nach § 74 AO und einer Duldungspflicht kein Unterschied wäre (zum Unterschied zwischen Haftung und Duldung s. vor §§ 69 bis 77 AO Rz. 1). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass selbst in den Fällen der Duldungspflicht Wertersatz als eine Form von Rückgewähr verlangt werden kann (BFH v. 31.07.1984, VII R 151/83, BStBl II 1985, 31; s. § 11 Abs. 1 Satz 2 AnfG).