Karl Blesinger, Dr. Andreas Viertelhausen
Tz. 40
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Das Steuergeheimnis betrifft auch die kontrovers diskutierte Frage der Zusammenarbeit zwischen Finanzbehörden und Informanten, die auch Steuerdenunzianten genannt werden (s. auch AEAO zu § 30, Nr. 13). Es trifft einerseits zu, dass Nachrichten aus solchen Quellen im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung nicht ganz entbehrt werden können (z. B. Bekämpfung des Schmuggels oder Hinweise auf Schwarzgeschäfte). Andererseits besteht die Gefahr, dass Personen leichtfertig oder sogar wider besseres Wissen falsche Anzeigen erstatten. Den öffentlichen Belangen wird kein guter Dienst geleistet, wenn Ermittlungen aufgrund fehlerhafter Anzeigen oder Informationen durchgeführt werden und die Strafverfolgung von Denunzianten wegen Verleumdung oder falscher Anschuldigung dadurch vereitelt wird, dass die Aussagegenehmigung für die als Zeugen genannten Finanzbeamten verweigert oder gerichtliche Auskunftsersuchen unter Hinweis auf das öffentliche Interesse abgelehnt werden.
Tz. 41
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Identität eines Anzeigeerstatters wird grds. durch § 30 AO geschützt; denn er ist "ein anderer" i. S. des § 30 Abs. 2 AO (BFH v. 08.02.1994, VII R 88/92, BStBl II 1994, 552; BFH v. 07.12.2006, V B 163/05, BStBl II 2007, 275; a. A. Schuhmann, wistra 1996, 16; v. Dorrien, wistra 2013, 374). Seine Angaben werden nach der in Rz. 13 vertretenen Auffassung auch in einem Verwaltungsverfahren bekannt, denn der Informant will nach seiner Vorstellung Anlass für weitere Ermittlungen geben. Soweit ihm aber vorsätzlich falsche Angaben zur Last zu legen sind, trifft § 30 Abs. 5 AO zu, unabhängig davon, dass es auch keine steuerliche Pflicht zur Denunziation gibt (§ 30 Abs. 4 Nr. 4b AO). Aus der demnach bestehenden Offenbarungsbefugnis folgt allerdings noch keine entsprechende Offenbarungspflicht. Es bedarf – wie dargelegt – einer entsprechenden Abwägung aller einschlägigen Interessen (BFH v. 07.12.2006, V B 163/05, BStBl II 2007, 275). Im Einzelfall kann die Interessenabwägung zu einer Ermessensreduzierung auf Null führen, sodass der Name des Denunzianten mitgeteilt werden muss, wenn der Steuerpflichtige hierauf angewiesen ist, um Schadensersatzansprüche zu verfolgen (BFH v. 07.05.1985, VII R 25/82, BStBl II 1985, 571; BFH v. 08.02.1994, VII R 88/92, BStBl II 1994, 552).
Tz. 42
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Aus der Rechtsprechung: KG 06.06.1985, 4 Ws 50/85, NJW 1985, 1971: Mehrung der Steuereinnahmen durch Schutz des Denunziantentums gehört nicht zu den Zwecken des Steuergeheimnisses; LG Hamburg 19.02.2002, 631 Qs 9/02, NJW 2002, 1216: Die Identität eines Informanten des FA wird durch das Steuergeheimnis nicht geschützt; LG Saarbrücken v. 02.11.2006, 8 Qs 110/06, wistra 2007, 78: Durchsuchung beim FA zum Zweck der Identifizierung eines Anzeigeerstatters; LG Mühlhausen v. 26.01.2005, 9 (8) Gs 20/04, wistra 2005, 357: Auch ein Dritter, der eine Steuerstraftat anzeigt, ist durch das Steuergeheimnis geschützt. Insofern ist auch das Akteneinsichtsrecht nach § 147 StPO beschränkt. Der Auffassung des LG Mühlhausen ist u. E. nur eingeschränkt zuzustimmen. Zwar fällt die Anzeigeerstattung grds. unter den Schutzbereich des Steuergeheimnisses, doch dient die Offenbarung an den Strafverteidiger des Beschuldigten u. U. der Durchführung eines Steuerstrafverfahrens und ist damit nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO erlaubt, wenn der Verteidiger die ihm nach § 147 StPO grds. zur Verfügung stehende Akteneinsicht zur effizienten Verteidigung benötigt (s. Rz. 21).