Tz. 36
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Nach § 177 Abs. 4 AO bleiben § 164 Abs. 2 AO, § 165 Abs. 2 AO und § 176 AO unberührt (s. Rz. 4). § 177 AO bleibt zwar bei §§ 164, 165 AO anwendbar, läuft aber ins Leere (s. § 164 AO Rz. 21 und § 165 AO Rz. 26b; von Wedelstädt in Bartone/von Wedelstädt, Rz. 1614; a. A. Koenig in Koenig, § 177 AO Rz. 6; Bergan/Martin, DStR 2007, 658). Die Vorschrift hat lediglich klarstellende Bedeutung. Bescheide, die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergehen, erwachsen nicht in materieller Bestandskraft (§ 164 Abs. 2 AO; s. Vor §§ 172–177 AO Rz. 12). Änderungen können folglich ohne die Einschränkung des § 177 Abs. 1 und 2 AO erfolgen. Gleiches gilt für Bescheide, soweit sie gem. § 165 Abs. 1 AO unter einem Vorläufigkeitsvermerk stehen. In diesem Umfang tritt eine materielle Bestandkraft nicht ein. Eine Fehlerberichtigung ist in diesem Rahmen uneingeschränkt möglich. Dabei dürfen auch Fehler berücksichtigt werden, die nicht mit dem Grund der Vorläufigkeit zusammenhängen (BFH v. 02.03.2000, VI R 48/97, BStBl II 2000, 332). § 177 Abs. 4 AO soll bei der Änderung nach § 165 Abs. 2 AO nicht die Saldierungsmöglichkeit des § 177 Abs. 1 und 2 AO ausschließen, sondern die Möglichkeit der Änderung nach § 165 Abs. 2 AO soll erhalten bleiben. Soweit der Bescheid von dem Vorläufigkeitsvermerk unberührt bleibt, findet § 177 AO uneingeschränkte Anwendung.
Tz. 37
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Ebenfalls von § 177 AO unberührt bleibt die Vorschrift des § 176 AO (von Wedelstädt in Gosch, § 176 AO Rz. 7.3). Eine Saldierung mit Rechtsfehlern, die sich als solche erst durch die Entscheidung des BVerfG oder eines obersten Bundesgerichts erkannt wurden, ist der Finanzbehörde mithin nicht gestattet (Koenig in Koenig, § 177 AO Rz. 26). Der Grundsatz der materiellen Richtigkeit tritt insoweit ebenso wie bei § 176 AO hinter dem schutzwürdigen Vertrauen des Stpfl. zurück (s. § 176 AO Rz. 2 ff.).
Tz. 38
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 177 AO sperrt nicht die saldierende Änderung von Rechtsfehlern nach anderen Vorschriften. So kann z. B. nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO die gesamte Entscheidung rückgängig gemacht werden, d. h., die Änderung aufgrund eines rückwirkenden Ereignisses erfasst auch die bei der ursprünglichen Entscheidung unterlaufenen Rechtsfehler (BFH v. 23.11.2000, IV R 85/99, BStBl II 2001, 122).