Karl Blesinger, Dr. Andreas Viertelhausen
Tz. 6
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Der Erstattungsanspruch unterscheidet sich von den übrigen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis dadurch, dass er die vorherige Erfüllung eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis durch Zahlung voraussetzt (BFH v. 16.12.1008, VII R 7/08, BStBl II 2009, 514), die ohne rechtlichen Grund erfolgt ist oder für die der rechtliche Grund später weggefallen ist (s. § 37 Abs. 2 AO). Ob eine Steuer i. S. des § 37 Abs. 2 Satz 1 AO ohne rechtlichen Grund gezahlt worden oder dieser später weggefallen ist, richtet sich regelmäßig nach den zugrunde liegenden Steuerbescheiden (BFH v. 28.04.2016, VI R 18/15, BFHE 254, 26). Der Erstattungsanspruch stellt sich daher im Regelfall als Umkehrung der sonstigen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis dar. Er kann auch auf Erstattung einer zu Unrecht erfolgten Erstattung gerichtet sein, sodass dann die Finanzbehörde Gläubigerin des Erstattungsanspruchs ist. Ein Erstattungsanspruch i. S. der Vorschrift kann der Finanzbehörde aber auch aus einer fehlgeleiteten Zahlung (Leistung an einen unbeteiligten Dritten) erwachsen. In diesem Fall handelt es sich um ein ausschließlich auf Beseitigung der unrechtmäßigen Vermögensverschiebung gerichtetes Steuerschuldverhältnis, das seine Entstehung der fehlgeleiteten Zahlung verdankt (BFH v. 18.06.1986, II R 28/84, BStBl II 1986, 704). Schuldner dieses abgabenrechtlichen Rückforderungsanspruchs ist derjenige, zu dessen Gunsten die Zahlung erbracht wurde (BFH v. 08.04.1987, X R 64/81, BFH/NV 1988, 2). Dies ist auch dann der Fall, wenn das FA auf Anweisung des Schuldners an einen Dritten gezahlt hat (BFH v. 10.03.2016, III R 29/15, BFH/NV 2016, 1278; BFH v. 18.052017, III R 11/15, BFHE 259, 78). Stimmen in einem Mehr-Personen-Verhältnis die Vorstellungen des leistenden FA über den Zahlungszweck mit denen des Leistungsempfängers nicht überein, hat die Bestimmung des Leistungsempfängers aufgrund einer objektiven Betrachtungsweise aus der Sicht des Zahlungsempfängers zu erfolgen. Empfänger ist in der Regel derjenige, gegenüber dem der Leistende seine abgabenrechtliche Verpflichtung erfüllen will (BFH v. 30.08.2005, VII R 64/04, BStBl II 2006, 353; BFH v. 05.06.2007, VII R 17/06, BStBl II 2007, 738). Der BFH (BFH v. 12.04.1994, VII B 278/93, BStBl II 1995, 817) bezeichnet § 37 Abs. 2 AO als generelle Anspruchsnorm für alle Fälle ungerechtfertigter Steuer- und Vergütungszahlungen. Keine Zahlung i. S. dieser Vorschrift liegt vor, wenn ein FA einen Geldbetrag auf das Steuerkonto eines Stpfl. bei einem FA, das derselben Gebietskörperschaft angehört, überweist (BFH v. 16.12.2008, VII R 7/08, BStBl II 2009, 514: Umsatzsteuer-Überweisung vom Steuerkonto einer Organgesellschaft auf das Steuerkonto des Organträgers). In der Sache handelt es sich um eine Umbuchung. § 37 Abs. 2 AO setzt kein Verschulden auf Seiten des Leistungsempfängers voraus (BFH v. 10.03.2016, III R 29/15, BFH/NV 2016, 1278).
Tz. 6a
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Nicht zu den Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis – und damit auch nicht zu den Erstattungsansprüchen i. S. des § 37 Abs. 2 AO – gehört ein gegen das FA gerichteter Anspruch eines Insolvenzverwalters auf Rückgewähr insolvenzrechtlich angefochtener Leistungen, auch wenn es sich bei den angefochtenen Leistungen des Gemeinschuldners um solche aus dem Steuerschuldverhältnis handelte (BFH v. 05.09.2012, VII B 95/12, BStBl II 2012, 854; BFH v. 27.09.2012, VII B 190/11, BStBl II 2013, 109; BFH v. 12.11.2013, VII R 15/13, BStBl II 2014, 359).
Tz. 7
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Neben dem in § 37 Abs. 2 AO definierten Erstattungsanspruch erwähnt das Gesetz lediglich noch die in Einzelsteuergesetzen geregelten Steuererstattungsansprüche. Für sie ist charakteristisch, dass der Erstattungsanspruch aus einem zu dem die Steuerfestsetzung begründenden Tatbestand hinzutretenden nachträglichen besonderen Sachverhalt erwächst, der weder die Rechtmäßigkeit der bisherigen Steuerfestsetzung noch den auf dieser Grundlage verwirklichten Steuerzahlungsanspruch (s. § 218 Abs. 1 AO) infrage stellt. Erst mit Wirkung von dem Zeitpunkt ab, in dem der die Erstattung rechtfertigende Tatbestand erfüllt ist, wird die bisherige Steuerfestsetzung durch die entsprechende Freistellung von der Steuer (s. § 155 Abs. 1 Satz 3 AO) abgelöst, die ihrerseits Grundlage für die Verwirklichung im Wege der Erstattung ist. Beispiele für derartige Steuererstattungsansprüche finden sich in § 4 KraftStG und § 9 VersStG.
Tz. 8
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Gläubiger des Erstattungsanspruchs ist derjenige, auf dessen Rechnung eine Zahlung ohne rechtlichen Grund bewirkt worden ist. Das ist nach der Rechtsprechung des BFH derjenige, dessen Steuerschuld nach dem Willen des Zahlenden, wie er im Zeitpunkt der Zahlung dem FA gegenüber erkennbar hervorgetreten ist, getilgt werden sollte Dsbei kommt es nicht darauf, von wem und mit wessen Mitteln gezahlt worden ist (BFH v. 20.01.2017, VII R 22/15, BFH/NV 2017, 906). Erstattungsberechtigt kann ...