I. Allgemeines
Tz. 72
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die einheitliche und gesonderte Feststellung nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO unterbleibt nach § 180 Abs. 3 Satz 1 AO, wenn nur eine der an den Einkünften beteiligten Personen mit ihren Einkünften im Geltungsbereich der AO einkommensteuer- oder körperschaftsteuerpflichtig ist oder es sich um einen Fall von geringer Bedeutung handelt, insbes. weil die Höhe des festgestellten Betrages und die Aufteilung feststehen, nach § 180 Abs. 4 AO bei Arbeitsgemeinschaften, deren alleiniger Zweck in der Erfüllung eines einzigen Werk- oder Werklieferungsvertrages besteht.
II. Beteiligung nur eines inländischen Feststellungsbeteiligten (§ 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AO)
Tz. 73
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AO ist Ausfluss des Grundsatzes, dass eine Feststellung nur dann zulässig ist, wenn die festgestellten Besteuerungsgrundlagen steuerlich von Bedeutung sind. Unter den Grundsatz des Übermaßverbotes fällt auch, dass ein Feststellungsverfahren nicht durchzuführen ist, wenn die Besteuerungsgrundlagen nur bei einer beteiligten Person im Inland im Rahmen der unbeschränkten oder beschränkten Steuerpflicht von Bedeutung sind (BFH v. 24.07.2013, I R 57/11, BStBl II 2016, 633). Sie sind daher im Rahmen der Veranlagung dieser Person vom Wohnsitz-FA zu ermitteln und in der Steuerfestsetzung nach § 157 Abs. 2 AO zu berücksichtigen.
III. Fall von geringer Bedeutung (§ 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AO)
Tz. 74
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Ein Fall von geringer Bedeutung i. S. des § 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AO ist anzunehmen, wenn es sich um einen leicht überschaubaren Sachverhalt handelt, die Einkünfte leicht zu ermitteln und nach einfachem Schlüssel auf die Beteiligten zu verteilen sind und die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen bei den Beteiligten gering oder nahezu ausgeschlossen ist (u. a. BFH v. 16.03.2004, IX R 58/02, BFH/NV 2004, 1211 m. w. N.). Das setzt voraus, dass die Höhe des festgestellten Betrages, seine Aufteilung und Zurechnung feststehen (BFH v. 09.02.2005, X R 52/03, BFH/NV 2005, 1235 m. w. N.) und auch ihre rechtliche Beurteilung unstreitig sind. Die Höhe der fraglichen Einkünfte ist dagegen grundsätzlich ohne Bedeutung (Kunz in Gosch, § 180 AO Rz. 109 m. w. N.). Ob es sich um einen Fall von geringer Bedeutung handelt, ist unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Es handelt sich dabei um einen unbestimmten Rechtsbegriff, für die Finanzbehörde besteht daher kein Ermessensspielraum. Kein Fall von geringer Bedeutung liegt vor, wenn eine einheitliche und gesonderte Feststellung für ein Jahr noch innerhalb der für sie geltenden Feststellungsfrist ergehen kann, aber die Festsetzungsfrist der Folgebescheide bereits eingetreten ist und daher durch den Erlass der einheitlichen und gesonderten Feststellung eine einheitliche Steuerfestsetzung in den Folgebescheiden der Feststellungsbeteiligten gesichert wird (BFH v. 12.04.2016, VIII R 24/13, BFH/NV 2016, 1537).
Tz. 75
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Feststellung kann nicht allein deshalb unterbleiben, weil die Beteiligten zusammenveranlagte Eheleute/Lebenspartner sind (BFH v. 16.03.2004, IX R 58/02, BFH/NV 2004, 1211 m. w. N.). Fälle von geringer Bedeutung sind aber z. B. gegeben bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung eines ausschließlich zu – auch teils eigenen, teils anderen – Wohnzwecken genutzten Hauses oder einer Eigentumswohnung von zusammenveranlagten Eheleuten/Lebenspartner(BFH v. 16.03.2004, IX R 58/02, BFH/NV 2004, 1211 m. w. N. und Beispielen) sowie bei gemeinschaftlich erzielten Gewinn von Landwirts-Eheleuten/-Lebenspartner(AEAO zu § 180, Nr. 4 Abs. 1 m. w. N.), sofern ein für die Besteuerung erhebliches Merkmal nicht streitig ist.
Ein Fall von geringer Bedeutung liegt auch vor bei Einkünften aus Mietpools, da der Verwalter nach dem WEG verpflichtet ist, die Werbungskosten nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile zu verteilen (Kunz in Gosch, § 180 AO Rz. 106 m. w. N.), bei Kapitalclubs (Sparclubs) mit Einnahmen aus Kapitalvermögen unter dem jeweils gültigen Sparerfreibetrag für Ledige (FinMin Schleswig-Holstein v. 13.02.2004, DB 2004, 1585). Die Gefahr divergierender Entscheidungen kann auch ausgeschlossen und damit ein Fall von geringer Bedeutung angenommen werden, wenn das FA, das für die ESt-Besteuerung der Gesellschafter zuständig ist, auch für die einheitliche und gesonderte Feststellung zuständig ist (BFH v. 24.03.2011, IV R 13/09, BFH/NV 2011, 1826), es sei denn, es besteht z. B. ein Streit über die Art oder die Ermittlung der Einkünfte oder über die Beteiligungsverhältnisse (BFH v. 09.09.2010, IV R 31/09, BFH/NV 2011, 413).
Tz. 76
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Kein Fall geringer Bedeutung liegt z. B. vor, wenn es um die Frage der Erfassung von Veräußerungsgewinnen, der Berechtigung zur Übertragung stiller Reserven sowie der Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben geht, da dies Fragen sind, die nur für alle an den Einkünften Beteiligten einheitlich zu klären sind und deshalb der Entscheidung durch einen Grundlagenbescheid vorbehalten bleiben müssen (BFH v. 07.11.1996, IV R 72/95, BFH/NV 199...