Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Steuern werden nach § 155 Abs. 1 Satz 1 AO vom FA durch Steuerbescheid festgesetzt. Dabei ist die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen ein nicht selbstständig anfechtbarer Teil des Steuerbescheids (§ 157 Abs. 2 AO).
Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Davon abweichend werden nach § 179 Abs. 1 AO die Besteuerungsgrundlagen gesondert festgestellt, soweit dies gesetzlich geregelt ist. Die im Bescheid über die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen getroffenen Feststellungen entfalten gem. § 182 Abs. 1 Satz 1 AO gegenüber den ihnen rechtlich nachgelagerten Folgebescheiden Bindungswirkung. Besteuerungsgrundlagen sind alle nach den einschlägigen Vorschriften selbstständig feststellungsfähigen Steuerfestsetzungsvoraussetzungen (Söhn in HHSp, § 179 AO Rz. 12; Brandis in Tipke/Kruse, § 179 AO Rz. 1). Sie sind selbstständig anfechtbar (§ 157 Abs. 2 AO). Das schließt eine selbstständige rechtliche Würdigung und ein unabhängiges rechtliches Schicksal einschließlich der Bestandskraft einzelner Feststellungen mit ein (von Wedelstädt, DB 1997, 696). Steuerfestsetzungs- und Feststellungsverfahren sind unabhängige Verfahren. Die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen ist ein verselbstständigter, selbstständig anfechtbarer und bestandskraftfähiger Ausspruch über das Bestehen oder Nichtbestehen einer bestimmten Besteuerungsgrundlage außerhalb des Steuerfestsetzungsverfahrens. Einwendungen gegenüber der Feststellung der Besteuerungsgrundlagen müssen im Wege der Anfechtung des Feststellungsbescheids vorgebracht werden (§ 351 Abs. 2 AO). Die Vorschriften über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen regeln auch die sachliche Zuständigkeit (BFH v. 10.06.1999, IV R 69/98, BStBl II 1999, 691 m. w. N.). Für das Feststellungsverfahren gelten die Vorschriften über das Festsetzungsverfahren entsprechend (§ 181 Abs. 1 AO). Zur Zuständigkeit s. § 18 AO. § 127 AO ist anwendbar (BFH v. 21.06.2007, IX B 5/07, BFH/NV 2007, 1628).
Tz. 4
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Die gesonderte Feststellung ist nur zulässig, soweit die Abgabenordnung oder sonst ein Steuergesetz dies bestimmt; die gebotene und unverzichtbare Rechtsgrundlage kann nicht durch allgemeine Zweckmäßigkeitserwägungen wie die Sachkunde oder vergleichbare sinnvolle Überlegungen ersetzt werden (BFH v. 30.10.2005, GrS 2/02, BStBl II 2005, 679; BFH v. 13.05.2013; I R 39/11, BStBl II 2016, 434 m. w. N.).
Gesetzliche Regelungen finden sich in den §§ 180ff. AO sowie in zahlreichen Bestimmungen anderer Gesetze, wie z. B. in §§ 2a Abs. 1 Satz 5, 10b Abs. 1 Satz 5, 10d Abs. 4, 10e Abs. 7, 15a Abs. 4, 15b Abs. 4, 34e Abs. 1 Satz 4, 39 Abs. 1 Satz 4 (ELStAM) EStG, §§ 151ff. BewG, § 18 AStG, § 11 Abs. 6 EigZulG. Für die Annahme einer Bindungswirkung ist grundsätzlich eine gesetzliche Regelung erforderlich (BFH v. 28.03.2012, II R 39/10, BStBl II 2012, 712 m. w. N.). Fehlt es an einer entsprechenden gesetzlichen Bestimmung, tritt die Bindungswirkung nicht ein (BFH v. 06.07.1999, IX B 21/99, BFH/NV 2000, 4). Die Feststellung ist bei Vorliegen der Voraussetzungen zwingend durchzuführen. Die Bestandskraft des Folgebescheids steht dem so wenig entgegen wie etwaige Kenntnisse des Folgebescheids-FA von den betreffenden Besteuerungsgrundlagen, es sei denn, es handelt sich um einen Fall des § 180 Abs. 3 AO (BFH v. 01.07.2003, VIII R 61/02, BFH/NV 2004, 27 m. w. N.). Ein Feststellungsverfahren ist auch durchzuführen, wenn streitig ist, ob Besteuerungsgrundlagen gesondert festgestellt werden müssen oder nicht (BFH v. 24.05.2006, I R 93/05, BStBl II 2007, 76 m. w. N.).
Tz. 4a
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Bedarf es einer gesonderten Feststellung, ist für eine eigenständige Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen im Rahmen der Folge-Festsetzung grundsätzlich kein Raum. Dies gilt unabhängig davon, ob ein Feststellungsbescheid tatsächlich erlassen und ob er bestandskräftig wird. Fehlt es an einem erforderlichen Feststellungsbescheid, darf das Festsetzungs-FA weder eine eigenständige Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen vornehmen noch die Besteuerungsgrundlagen im Festsetzungsbescheid z. B. im Wege der Rechtsfehlersaldierung nach § 177 AO berücksichtigen. Das gilt unabhängig davon, ob ein rechtlich erforderlicher Feststellungsbescheid nicht ergangen ist oder zwar erlassen, aber später aufgehoben worden ist. Die Ausnahme des § 155 Abs. 2 AO, die nur eine erkennbar einstweilige Regelung erlaubt, die einem noch zu erlassenden Grundlagenbescheid vorgreift, eröffnet nicht die Möglichkeit, in einem Folgebescheid abschließend über Sachverhalte zu befinden, deren Beurteilung einem Grundlagenbescheid vorbehalten ist (s. § 155 AO Rz. 16; BFH v. 24.05.2006, I R 93/05, BStBl II 2007, 76 m. w. N.). Ein Festsetzungsbescheid, der trotz Erfordernis eines Grundlagenbescheids Besteuerungsgrundlagen nicht gem. § 155 Abs. 2 AO, sondern abschließend regelt, ist rechtswidrig (BFH v. 02.12.2003, II B 76/03, BStBl II 2004, 204 m. w. N.).
Tz. 5
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