Katharina Wagner, Dr. Klaus J. Wagner
Tz. 6
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Nach § 114 Abs. 1 Satz 1 FGO setzt der Erlass einer einstweiligen Anordnung einen Antrag voraus, der auch schon vor Klageerhebung zulässig ist. Das Gericht darf also auch bei einem bereits anhängigen Hauptsacheverfahren nicht von sich aus tätig werden. Der Antrag ist schriftlich oder beim Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu stellen. Der Antrag ist nur zulässig, soweit die allgemeinen Sachentscheidungsvoraussetzungen erfüllt sind, insbes. muss der Antragsteller antragsbefugt sein, er also geltend machen, eigene Rechte zu verfolgen. In dem Antrag muss das Rechtsschutzziel hinreichend konkretisiert sein, damit das Gericht erkennen kann, in welchem Umfang einstweiliger Rechtsschutz begehrt. wird. Ferner muss der Antragsteller die Tatsachen darlegen, die den Anordnungsanspruch und den Anordnungsgrund tragen. Ein unsubstantiiertes Vorbringen reicht ebenso wenig aus wie Bezugnahmen auf vorhergehenden Schriftwechsel. Ein unklarer Antrag ist zunächst i. S. des erkennbaren Rechtsschutzziels des Antragstellers auszulegen. Ist eine Auslegung nicht möglich, weil der Antragsteller z. B. einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt hat, kommt eine Umdeutung in Betracht, wenn sich dem Begehren entnehmen lässt, dass einstweiliger Rechtsschutz nur über den Weg einer einstweiligen Anordnung zu erreichen ist, weil es z. B. an einem anfechtbaren Verwaltungsakt fehlt. Eine Umdeutung ist aber ausgeschlossen, wenn ein sachkundiger Prozessbevollmächtigter den Antrag als Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bezeichnet (allg. Ansicht s. Loose in Tipke/Kruse, § 114 FGO Rz. 59; Koch in Gräber, § 114 FGO Rz. 10).
Tz. 7
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Erforderlich ist, dass der Antragsteller sowohl den Anordnungsanspruch als auch den Anordnungsgrund glaubhaft macht (BFH v. 01.08.2002, VII B 352/00, BFH/NV 2002, 1547; BFH v. 17.08.2012, III B 26/12, BFH/NV 2012, 1963). Dabei handelt es sich nicht um eine Zulässigkeitsvoraussetzung, sondern um eine Frage der Begründetheit des Antrags (Koch in Gräber, § 114 FGO Rz. 12). Glaubhaftmachung ist im Verhältnis zum Beweis ein geringerer Grad der richterlichen Überzeugung. Es reicht aus, wenn die behaupteten Tatsachen – Rechtsansichten können nicht Gegenstand der Glaubhaftmachung sein – mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gegeben sind. Korrespondierend mit diesem geringeren Maß an die Beweisführung ist auch die Sachverhaltsaufklärung durch das Gericht eingeschränkt; sie beschränkt sich auf eine summarische Prüfung. Die Glaubhaftmachung muss sich auf alle Tatsachen erstrecken, die Voraussetzungen für den Anordnungsanspruch oder den Anordnungsgrund sind. Mittel zur Glaubhaftmachung können alle Beweismittel sein, zu denen auch die Versicherung an Eides statt gehört (§ 114 Abs. 3 FGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO, § 294 Abs. 1 ZPO). Letztere dürfte allerdings zur Glaubhaftmachung nur ausreichen, wenn der maßgebliche Sachverhalt detailliert dargestellt wird. Dies gilt auch, wenn der Antragssteller sich in der Begründung um eine einstweilige Anordnung zur Einstellung der Zwangsvollstreckung auf eine drohende Existenzberechtigung beruft; hier muss die Darstellung des Klägers durch eine Darlegung der finanziellen Verhältnisse untermauert werden (Loose in Tipke/Kruse, § 114 FGO Rz. 71). Bei der Entscheidung können nur präsente Beweismittel berücksichtigt werden. Dies sind solche, die dem Gericht im Zeitpunkt der Entscheidungsfindung zur Verfügung stehen. Führt das Gericht eine mündliche Verhandlung über den Antrag durch, müssen sämtliche Beweismittel (spätestens) zum Termin gestellt sein; dies gilt insbes., wenn die Glaubhaftmachung durch Einvernahme von Zeugen erfolgen soll. Das Gericht ist nicht verpflichtet, auf entsprechende Beweisangebote der Beteiligten Zeugen zum Termin zu laden. Dies entspricht dem Charakter des Verfahrens als Eilverfahren.