Tz. 9
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Beschwer kann sich nur aus einem Verwaltungsakt ergeben, der unmittelbare rechtliche Wirkung gegen den Einspruchsführer auslöst oder zumindest den Rechtsschein der Wirksamkeit ihm gegenüber entfaltet (Siegers in HHSp, § 350 AO Rz. 71, 72). Der Verwaltungsakt muss noch vorhanden sein, d. h. er darf nicht durch Rücknahme, Widerruf, Aufhebung oder Erledigung wirkungslos geworden sein (§ 124 Abs. 2 AO; BFH v. 11.03.1992, X R 116/90, BFH/NV 1992, 757). Der Verwaltungsakt muss dem Steuerpflichtigen zumindest bekannt sein; einer ordnungsgemäßen Bekanntgabe an jeden Feststellungsbeteiligten bzw. Drittbetroffenen bedarf es nicht (Seer in Tipke/Kruse, § 350 AO Rz. 9). Fehlt es gänzlich an einer Bekanntgabe, ist zu prüfen, inwieweit zumindest der Rechtsschein einer Wirksamkeit hervorgerufen wurde.
Tz. 10
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Beschwer ergibt sich aus der Regelungsaussage des Verwaltungsaktes, i. d. R. aus seinem Tenor. Die Gründe der Entscheidung oder unselbstständige Besteuerungsgrundlagen beschweren nicht, auch wenn sie falsch sind, solange das Steuerergebnis richtig ist (AEAO zu § 350, Nr. 1). Dies gilt dann nicht, wenn die Feststellungen oder einzelne Bemessungsfaktoren Bindungswirkung für andere Verwaltungsakte haben. Durch die zu niedrig festgesetzte Steuer ist der Einspruchsführer grundsätzlich nicht beschwert, es sei denn, dieser Vorteil bewirkt, dass in späteren Besteuerungszeiträumen eine höhere Steuer mit noch größerem Nachteil festgesetzt wird (so die erhöhte Absetzung nach § 7b EStG, die zu einem Objektverbrauch führt; BFH v. 08.03.1994, IX R 12/90, BFH/NV 1994, 785; BFH v. 09.09.2005, IV B 6/04, BFH/NV 2006, 22). Auch ein sog. Nullbescheid kann eine Beschwer enthalten. So etwa, wenn der Nullbescheid eine verbindliche Entscheidungsgrundlage für andere Bescheide bildet und der Stpfl. durch diese beschwert wird (BFH v. 22.11.2016 I R 30/15, BFHE 257, 219, BStBl II 2017, 921; BFH v. 11.11.2014, I R 51/13, BFH/NV 2015, 305; Seer in Tipke/Kruse, § 350 AO Rz. 13).
Tz. 11
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Umsatzsteuerbescheide können auch dann zu einer Beschwer führen, wenn die Umsatzsteuer auf null festgesetzt wurde und der Einspruchsführer einen negativen Steuerbetrag begehrt bzw. die Umsatzsteuer negativ festgesetzt wurde und der Betroffene einen höheren Erstattungsbetrag verlangt. Bei der gesonderten Feststellung kann sich eine Ausnahme von dem Grundsatz ergeben, dass Einwendungen nur gegen den jeweiligen angegriffenen Verwaltungsakt erhoben werden können. Für die Anfechtung eines Folgebescheides kann sich eine Beschwer auch aus dem Fehlen eines Grundlagenbescheides ergeben (BFH v. 26.07.1984, IV R 13/84, BStBl II 1985, 3). Eine unterlassene gesonderte Feststellung ist ein Verfahrensfehler, der eine selbstständige Beschwer hervorruft (Keß in Schwarz/Pahlke, § 350 AO Rz. 25).
Tz. 12
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Ablehnung eines beantragten Verwaltungsaktes ist selbst Verwaltungsakt und beschwert den Antragsteller stets.