Tz. 7
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Einzige Voraussetzung für den Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 Satz 1 AO ist, dass der Steuerfall noch nicht abschließend geprüft ist. Unter Prüfung ist jegliche Prüfung im Rahmen der Ermittlungen nicht nur hinsichtlich des Sachverhalts, sondern auch hinsichtlich der rechtlichen Würdigung des Sachverhalts zu verstehen, und zwar im Veranlagungsbereich am "grünen Tisch", im Rechtsbehelfsverfahren wie auch durch die Außenprüfung. Solange die Sachverhaltsaufklärung und die rechtliche Prüfung noch nicht abgeschlossen sind, ist der Steuerfall noch nicht abschließend geprüft. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn eine Außenprüfung wie z. B. auch bei Großbetrieben im Rahmen der Anschlussprüfung nach § 4 Abs. 2 BpO vorgesehen ist. Die Zulässigkeit einer Außenprüfung ist jedoch nicht davon abhängig, dass die zu überprüfenden Steuerfestsetzungen unter Vorbehalt der Nachprüfung stehen (s. § 193 AO Rz. 4).
Tz. 8
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die teilweise oder stichprobenweise Überprüfung der Steuererklärung im Veranlagungsverfahren auch mit der Folge, dass ggf. von ihr abgewichen wird, hindert die Vorbehaltsfestsetzung nicht (BFH v. 04.08.1983, IV R 79/83, BStBl II 1984, 6). Keine abschließende Prüfung i. S. des § 164 AO stellt die Prüfung nach § 367 Abs. 2 AO im Rahmen eines Einspruchsverfahrens dar, weil diese Prüfung auf den vorhandenen Steuerbescheid beschränkt ist (BFH v. 16.10.1984, VIII R 162/80, BStBl II 1985, 448; s. Rz. 34). Auch vor Abschluss einer Außenprüfung können zur Teilauswertung von Prüfungsfeststellungen geänderte Bescheide erlassen werden, die weiterhin unter Vorbehalt der Nachprüfung stehen (FG He v. 10.12.2002, 4 K 2214/99, EFG 2003, 747).
Tz. 9
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Vorbehaltsfestsetzung setzt nicht voraus, dass eine abschließende Prüfung geplant ist. Dem FA wird mit dem Vorbehalt der Nachprüfung das Recht, aber nicht die Pflicht zur abschließenden Überprüfung eingeräumt. Allerdings ist eine Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung ermessensfehlerhaft (s. Rz. 11), wenn feststeht, dass eine abschließende Prüfung nicht stattfindet (BFH v. 23.03.1999, III B 107/98, BFH/NV 1999, 1307 m. w. N.).
Tz. 10
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Wird der Vorbehalt der Nachprüfung verfügt, obwohl der Fall abschließend geprüft ist oder feststeht, dass in dem Steuerfall eine abschließende Prüfung nicht mehr stattfindet, ist die Steuerfestsetzung – und nicht allein der Vorbehalt (s. Rz. 15) – rechtswidrig, aber nicht nichtig. Wird der Steuerbescheid innerhalb der Einspruchsfrist nicht angefochten, erwächst der Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung in Bestandskraft, der Vorbehalt der Nachprüfung kann zum Anlass einer Änderung gem. § 164 Abs. 2 AO genommen werden (BFH v. 16.09.2004, X R 22/01, BFH/NV 2005, 323 m. w. N.; s. Rz. 19). Auch eine Aufhebung des Vorbehalts kann wegen des Eintritts der formellen Bestandskraft nicht mit der Begründung, er sei rechtswidrig verfügt worden, verlangt werden.