Tz. 28
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 69 Abs. 6 FGO lässt die Änderung von Beschlüssen im Aussetzungsverfahren zu, auch wenn sie unanfechtbar geworden sind. Das Gesetz unterscheidet zwischen Änderungen von Amts wegen (s. Rz. 28) und auf Antrag eines Beteiligten (s. Rz. 29). Damit soll verhindert werden, dass sich das Gericht wiederholt mit demselben Aussetzungsbegehren befassen muss (BFH v. 17.03.2009, X S 11/09, juris).
1. Änderung von Amts wegen (§ 69 Abs. 6 Satz 1 FGO)
Tz. 29
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Nach § 69 Abs. 6 Satz 1 FGO kann der Beschluss vom Gericht, das den Beschluss erlassen hat (Senat oder Einzelrichter, s. Rz. 6) jederzeit von Amts wegen, also ohne Antrag eines Beteiligten, geändert oder aufgehoben werden. Das gilt sowohl für Beschlüsse über die Aussetzung und über die Aufhebung der Vollziehung gleichermaßen. Anders als es der Wortlaut der Vorschrift nahelegt, darf das Gericht den Beschluss nur aufheben oder ändern, wenn entweder neue Umstände tatsächlicher Art eingetreten bzw. bekannt geworden sind oder dass sich die rechtliche Beurteilung inzwischen signifikant geändert hat. Dies kann durch Einführung neuer Tatsachen oder Beweismittel in der Hauptsache geschehen (BFH v. 18.09.1996, I B 39/96, BFH/NV 1997, 247), durch eine Gesetzesänderung (FG He v. 11.10.1990, 10 V 3789/88, EFG 1991, 141), durch eine klärende höchstrichterliche Rspr. (BFH v. 21.10.2013, V B 68/13, BFH/NV 2014, 173), durch einen die entscheidungserhebliche Rechtsfrage betreffenden Vorlagebeschluss an das BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 GG (BFH v. 21.10.2013, V B 68/13, BFH/NV 2014, 173; Seer in Tipke/Kruse, § 69 FGO Rz. 166) oder gar durch eine Entscheidung des BVerfG (Birkenfeld in HHSp, § 69 FGO Rz. 1219; Gosch in Gosch, § 69 FGO Rz. 330 f.). Keine veränderten Umstände, die eine erneute Entscheidung rechtfertigen, liegen vor, wenn das FG die Klage abweist und dabei lediglich die Revision zum BFH wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gem. § 115 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 FGO zulässt (BFH v. 21.10.2013, V B 68/13, BFH/NV 2014, 173).
2. Änderung auf Antrag eines Beteiligten (§ 69 Abs. 6 Satz 2 FGO)
Tz. 30
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Da die Entscheidung des Gerichts über einen Antrag nach § 69 Abs. 3 FGO nicht in materieller Rechtskraft erwächst, steht es dem Antragsteller frei, jederzeit einen neuen Antrag zu stellen (BFH v. 21.10.2013, V B 68/13, BFH/NV 2014, 173). Nach § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO können die Beteiligten die Änderung oder Aufhebung der Entscheidung über die Vollziehungsaussetzung bzw. -aufhebung aber nur wegen veränderter Umstände oder wegen im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen. Die Geltendmachung veränderter Umstände ist Zulässigkeitsvoraussetzung für den Antrag nach § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO (BFH v. 14.03.2007, IV B 4/04 [PKH], IV S 3/07 [PKH], juris). Veränderte Umstände liegen auch dann vor, wenn die maßgebliche Rechtsfrage inzwischen höchstrichterlich geklärt ist (BFH v. 15.02.1991, IX S 6/90, BFH/NV 1991, 535) oder inzwischen eine Gesetzesänderung eingetreten ist (auch s. Rz. 29). Ohne Verschulden nicht geltend gemachte Umstände sind gegeben, wenn Beweismittel nachträglich bekannt bzw. erreichbar geworden (BFH v. 24.03.1987, I B 156/86, BFH/NV 1988, 208 BFH v. 25.10.1994, VIII B 101/94, BFH/NV 1995, 611) oder Tatsachen nachträglich bekannt geworden sind. Hierbei schadet bereits (einfache) Fahrlässigkeit. Für die Entscheidung über einen Antrag (oder eine Anregung) ist stets das Gericht der Hauptsache zuständig. Das ist das FG während der Anhängigkeit des Klageverfahrens auch dann, wenn auf Beschwerde gegen den ursprünglichen Beschluss des FG der BFH im Beschwerdeverfahren abweichend vom FG entschieden hat (BFH v. 25.03.1993, I S 5/93, BStBl II 1993, 515). Ist nach dem AdV-Beschluss des FG der BFH in der Hauptsache zuständig geworden, so ist der Änderungsantrag beim BFH zu stellen (BFH v. 21.02.2007, XI S 1/07, BFH/NV 2007, 1116; vgl. auch BFH v. 15.09.2010, I B 27/10, BStBl II 2010, 935). Dabei ist zu beachten, dass für den Folgeantrag vor dem BFH die Voraussetzungen des § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO einzuhalten sind (BFH v. 08.05.2008, IX S 30/07, BFH/NV 2008, 1499; BFH v. 13.05.2008, VI S 7/08, BFH/NV 2008, 1352; BFH v. 08.03.2013, III S 2/12, BFH/NV 2013, 960 m. Anm. Bartone, jurisPR-SteuerR 20/2013; BFH v. 21.10.2013, V B 68/13, BFH/NV 2014, 173; BFH v. 13.05.2015, X S 9/15, BFH/NV 2015, 1099).