Tz. 7

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann gestellt werden, wenn die Voraussetzungen für die Einzelzwangsvollstreckung vorliegen und ein Insolvenzgrund glaubhaft gemacht wird. Insolvenzgründe sind die Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO), die drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) – in diesem Fall ist aber nur der Schuldner antragsbefugt – und – bei juristischen Personen – die Überschuldung (§ 19 InsO; AEAO zu § 251, Nr. 2).

 

Tz. 8

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Als Gläubiger des Steuerschuldners ist grundsätzlich auch der Fiskus befugt, einen Insolvenzantrag zu stellen (§ 13 Abs. 1 Satz 2 InsO). Das FA trifft die Entscheidung über den Antrag – wie bei allen Vollstreckungsmaßnahmen – nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 5 AO; BFH v. 12.12.2005, VII R 63/04, BFH/NV 2006, 900; BFH v. 25.02.2011, VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017; BFH v. 14.05.2013, VII R 36/12, BFH/NV 2013, 1905). Wegen der gravierenden Folgen ist hierbei jedoch eine besonders gründliche Würdigung aller maßgebenden Umstände geboten. Bei leicht überschaubaren Vermögensverhältnissen und entsprechenden Vollstreckungsmöglichkeiten gebietet der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass das FA vorrangig die Einzelzwangsvollstreckung betreibt. Im Übrigen muss die Höhe des zu vollstreckenden Steueranspruchs in einem angemessenen Verhältnis zu den wirtschaftlichen Folgen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens stehen (Loose in Tipke/Kruse, § 251 AO Rz. 19; Jatzke in HHSp, § 251 AO Rz. 96 ff.; Carlé, AO-StB 2002, 428, 431 jeweils m. w. N.).

 

Tz. 9

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Anders als im Zivilrecht ist der volle Beweis für das Bestehen der Insolvenzforderung auch dann nicht erforderlich, wenn das FA der einzige Gläubiger des Vollstreckungsschuldners ist. Zudem bedarf es für die Ermessensentscheidung des FA, einen Insolvenzantrag zu stellen, keiner positiven Anhaltspunkte dafür, dass eine die Kosten deckende Insolvenzmasse vorhanden ist. Es darf für das FA nur nicht feststehen, dass eine die Kosten deckende Insolvenzmasse nicht vorhanden ist, da in einem solchen Fall der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur der Existenzvernichtung des Steuerschuldners dienen würde (BFH v. 12.12.2003, VII B 265/01, BFH/NV 2004, 464; BFH v. 01.02.2005, VII B 180/04, BFH/NV 2005, 1002; BFH v. 12.12.2005, VII R 63/04, BFH/NV 2006, 900).

 

Tz. 10

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Den Antrag stellt die zuständige Vollstreckungsstelle. Einer Zustimmung durch die OFD (so noch Abschn. 60 VollstrA a. F. zur Rechtslage vor Inkrafttreten der InsO) bedarf es hierfür nicht mehr (Abschn. 58 Abs. 3 VollstrA seit der Vierten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Vollstreckungsanweisung v. 18.09.2001, BStBl I 2001, 605; s. auch Carlé, AO-StB 2002, 428, 430).

 

Tz. 11

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Aufgrund fehlender Regelung ist der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens kein Verwaltungsakt (BFH v. 25.02.2011, VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017; BFH v. 28.02.2011, VII B 224/10, BFH/NV 2011, 763; BFH v. 31.08.2011, VII B 59/11, BFH/NV 2011, 2105; Levedag in Gräber, Vor § 40 FGO Rz. 51; Loose in Tipke/Kruse, § 251 AO Rz. 18; Jatzke in HHSp, § 251 AO Rz. 96 ff., 101; a. A. Werth in Klein, § 251 AO Rz. 11), diese trifft erst das Insolvenzgericht (Carlé, AO-StB 2002, 428, 430). Gegen den Antrag kann sich der Steuerschuldner demnach nicht mit dem Einspruch, der Anfechtungsklage und im vorläufigen Rechtsschutz mit der Aussetzung der Vollziehung zur Wehr setzen, sondern nur mit der Leistungsklage an das FG (§ 40 Abs. 1 a. E. FGO) und im vorläufigen Rechtsschutz mit der einstweiligen Anordnung (§ 114 FGO; BFH v. 12.08.2011, VII B 159/10, BFH/NV 2011, 2104; FG Hessen v. 25.04.2013, 1 V 495/13, juris; AEAO zu § 251, Nr. 2.3; Bartone, AO-StB 2004, 194). Mit Ergehen des Eröffnungsbeschlusses durch das Insolvenzgericht werden die Klage bzw. der Antrag auf einstweilige Anordnung allerdings unzulässig, weil die Finanzverwaltung nur bis zu diesem Zeitpunkt den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurücknehmen kann (BFH v. 25.02.2011, VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017).

Dieser Inhalt ist unter anderem im Kühn, Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung (Schäffer-Poeschel) enthalten. Sie wollen mehr?


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