Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 109 Abs. 2 AO ist im Rahmen des Gesetzes zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens vom 18.07.2016 (BGBl I 2016, 1679) in das Gesetz eingefügt werden. Die Regelung findet erstmals Anwendung auf Besteuerungszeiträume, die nach dem 31.12.2017 beginnen; faktisch gilt die Regelung also ab 2018. Die Norm beschränkt die Möglichkeiten einer Fristverlängerung bei Steuererklärungsfristen. Wie schon die Verweisungen auf § 149 Abs. 3 und 4 AO zeigen, steht die Einschränkung der Verlängerungsmöglichkeit in engem Zusammenhang mit der Neuregelung der Abgabefristen für Steuererklärungen. Da die Frist zur Abgabe der Steuererklärungen für die steuerberatenden Berufe nunmehr gesetzlich bis auf Ende Februar des Zweitfolgejahres nach der Entstehung der Steuer festgelegt wurde, soll nach Ablauf des Abgabestichtages nur ausnahmsweise eine Fristverlängerung in Betracht kommen. Die in der Vergangenheit bestehende jährliche Praxis, die Steuererklärungsfristen durch Verwaltungsanweisungen allgemein zu verlängern, ist durch die Neuregelung obsolet geworden, sodass Fristverlängerungen nur noch nach individueller Prüfung am Maßstab des Abs. 2 in Betracht kommen sollen (BR-Drs. 631/15, 88). Die Voraussetzungen, unter denen eine Verlängerung möglich ist, gelten gleichermaßen für Fristverlängerung über Ende Februar hinaus (§ 149 Abs. 3 AO) und in den Fällen vorzeitiger Anforderung (§ 149 Abs. 4 AO).
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Aus der Gesetzesformulierung des § 109 Abs. 2 Satz 1 AO, dass Abs. 1 nur anzuwenden ist, falls der Stpfl. ohne Verschulden gehindert ist oder gehindert war, die Steuererklärungsfrist einzuhalten, folgt zunächst, dass die Verschuldensprüfung bereits als Tatbestandsmerkmal vor der Ermessensentscheidung über die Verlängerung nach Abs. 1 vorzunehmen ist. Gelingt dem Stpfl. der Nachweis fehlenden Verschuldens nicht, scheidet eine Fristverlängerung aus. Für eine Ermessensausübung durch das FA ist kein Raum mehr; der Verlängerungsantrag ist wegen Fehlens der gesetzlichen Voraussetzungen abzulehnen. Für die Beurteilung, ob eine entschuldbare Fristversäumnis vorliegt, sind die Grundsätze anzuwenden, die für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 110 AO, § 56 FGO) Stand gelten. Daraus folgt u. a., dass sich der Stpfl. bzw. dessen Berater künftig nicht mehr auf übermäßigen, hohen Arbeitsanfall berufen kann (BR-Drs. 631/15, 88). Denn mit der Verlängerung der gesetzlichen Abgabefrist soll sichergestellt werden, dass die steuerberatenden Berufe über ausreichend Zeit zur Erstellung der Erklärungen verfügen. Dem entspricht, dass eine Verlängerung der Abgabefrist nur noch in besonderen, individuell festzustellenden Fällen möglich sein soll. Abzustellen ist nach dem Gesetzeswortlaut zunächst auf das Verschulden des Stpfl. Damit dürften die Fallgestaltungen erfasst sein, in denen es dem Stpfl. nicht gelingt, seinem Berater die für die Erstellung der Erklärung erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Nach § 109 Abs. 2 Satz 3 AO ist dem Stpfl. auch das Verschulden eines Vertreters oder Erfüllungsgehilfen zuzurechnen. Vertreter i. S. dieser Regelung kann auch der steuerliche Berater sein, da die Regelung insoweit auch die gewillkürte Vertretung in Steuersachen erfasst.
Da die Fristverlängerungsmöglichkeit eine individuelle Verschuldensprüfung erfordert, ist eine Fristverlängerung aufgrund von Sammelanträgen nicht möglich.
Tz. 5
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Für Steuerpflichtige, die ihren Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft nach einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr ermitteln, sieht § 109 Abs. 2 Satz 3 AO eine Sonderregelung vor, indem an die Stelle des letzten Tages des Monats Februar der 31. Juli tritt.
Tz. 6
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Nach § 109 Abs. 3 AO kann die Finanzbehörde die Fristverlängerung mit einer Nebenbestimmung versehen, sie insbes. von einer Sicherheitsleistung abhängig machen. In Frage kommt hiernach z. B. die Verbindung mit einer Auflage (§ 120 Abs. 1 Nr. 4 AO) oder einem Vorbehalt der nachträglichen Aufnahme, Änderung oder Ergänzung einer Auflage (§ 120 Abs. 1 Nr. 5 AO). Als bevorzugt sieht der Gesetzgeber ersichtlich die Forderung nach einer Sicherheitsleistung an ("insbesondere"). Sie macht die Fristverlängerung von einer sog. unechten Bedingung abhängig (s. § 120 AO Rz. 3 ff.). Dies ergibt sich eindeutig aus dem Wortlaut des Abs. 3, wonach die Wirkung der Fristverlängerung abhängig von der Sicherheitsleistung sein soll. Eine Fristverlängerung unter Vorbehalt jederzeitigen Widerrufs wäre nach dem Wortlaut des § 109 Abs. 2 AO wohl zulässig, da die Fristverlängerung mit jeder Art der Nebenbestimmung versehen werden kann. Ein solcher Widerrufsvorbehalt würde jedoch unter § 120 Abs. 3 AO fallen: Die Nebenbestimmung würde dem Zweck des VA zuwiderlaufen. Die Fristverlängerung wäre für den Betroffenen wertlos; er muss seine Dispositionen nach der gewährten Verlängerung ausrichten können. § 130 Abs. 2 AO, § 131 Abs. 2 AO bleiben unberührt.