1. Auswahl der Auskunftsperson
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Hält die Finanzbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhaltes die Einholung einer Auskunft für erforderlich (Entschließungsermessen), hat sie zunächst zu prüfen, ob sie die notwendige Auskunft von einem am Besteuerungsverfahren Beteiligten (§ 78 AO) erhalten kann. Nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO soll sich die Finanzbehörde im Regelfall zunächst an die Beteiligten halten und kann sich erst dann an andere Personen wenden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziele führt oder keinen Erfolg verspricht. Hierdurch wird gewährleistet, dass Außenstehende nach Möglichkeit unbehelligt bleiben und die steuerlichen Verhältnisse der Beteiligten nicht unnötigerweise anderen zur Kenntnis gelangen. Damit ist das Auswahlermessen der Behörde eingegrenzt. Allerdings führt die Verletzung von Abs. 1 Satz 3 nicht zu einem Verwertungsverbot der erlangten Auskünfte (BFH v. 25.01.2017, I R 70/15, BStBl II 2017, 780). Diese Kriterien führen auch nicht dazu, dass die Finanzbehörde unter allen Umständen so lange auf die Inanspruchnahme eines Dritten verzichten muss, solange sie nicht alle rechtlich zulässigen und möglichen Versuche unternommen hat, vom Beteiligten selbst die Auskunft zu erhalten. Während sich die Voraussetzung für das Auskunftsersuchen an Dritte, dass die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziele führt, ohnehin in den Akten der Behörde niederschlagen wird, müssen die Umstände, die zur Überzeugung der Behörde geführt haben, dass eine Befragung der Beteiligten keinen Erfolg verspricht (Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung, s. auch BFH v. 30.03.1989, VII R 89/88, BStBl II 1989, 537), zweckmäßigerweise aktenkundig gemacht werden. Diese Umstände können in der Sache oder in der Person des Beteiligten begründet sein, insbes. kann die vorherige Befragung eines Beteiligten unmöglich oder unzweckmäßig sein, weil der Beteiligte abwesend oder unauffindbar oder amtsbekannt nicht fähig oder willens ist, entsprechende Auskunftsersuchen zu beantworten. Das stufenmäßige Vorgehen setzt allerdings voraus, dass die Person des Beteiligten bekannt ist. Nicht erforderlich ist, dass die Finanzbehörde vor der Inanspruchnahme Dritter vom Beteiligten die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung verlangt (BFH v. 22.02.2000, VII R 73/98, BStBl II 2000, 366).
Schließlich muss die Finanzbehörde die Grenzen des ihr eingeräumten Ermessens einhalten. Dies erfordert zunächst, dass das Auskunftsersuchen Tatsachen aufdecken kann, die für die Besteuerungszwecke erheblich sind. Bei dieser Beurteilung muss die Behörde eine Prognoseentscheidung treffen, innerhalb der ihr jedoch ein dem Einzelfall angemessener Spielraum zusteht. In der Regel besteht die Erforderlichkeit bereits dann, wenn die Auskünfte vom Stpfl. nicht zu erlangen sind und zunächst die Möglichkeit besteht, dass von dem auskunftspflichtigen Dritten die erforderlichen Informationen erlangt werden können. Darüber hinaus muss die Finanzbehörde das geeignete Mittel wählen. Bezogen auf ein Auskunftsverlangen bedeutet dies, dass der Inanspruchgenommene zumindest über die erforderliche Information verfügen kann und es ihm bei Zugrundelegung eines objektiven Maßstabs auch möglich ist, die Auskunft zu erteilen. Zudem muss das Auskunftsverlangen auch den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit Genüge tun. Insbesondere darf der Auskunftspflichtige nicht zu einer Auskunft herangezogen werden, die ihn – gemessen an dem mit der Auskunft verfolgten Zweck – unverhältnismäßig belastet. Daraus folgt, dass die dem Auskunftspflichtigen entstehenden Belastungen stets im Verhältnis zu dem zu sichernden Besteuerungszweck stehen müssen (BFH v. 16.05.2013, II R 15/12, BStBl II 2014, 225). Dabei kann der Auskunftspflichtige – allerdings begrenzt durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit – auch finanzielle Nachteile in Kauf nehmen müssen. Insgesamt bedarf es also einer Interessenabwägung zwischen den besonderen Belastungen, denen der Auskunftspflichtige ausgesetzt ist und den Gründen, die die Belastungen rechtfertigen. Hierbei ist das Interesse der Allgemeinheit an der gesetzlichen Steuererhebung und -einziehung grundsätzlich höher zu bewerten, als das Interesse eines Dritten, von staatlichen Eingriffen unbehelligt zu bleiben (ausführlich s. BFH v. 20.02.2000, VII R 73/98, BStBl II 2000, 366; BFH v. 04.10.2006, VIII R 53/04, BStBl II 2007, 227; AEAO zu § 93, Nr. 1).
2. Sammelauskunftsersuchen
Tz. 5
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Mit der Einfügung des § 93 Abs. 1a AO durch das StUmgBG vom 28.06.2017 (BGBl I 2017, 1682) soll die bisherige Praxis der sog. Sammelauskunftsersuchen auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden (s. auch § 208 AO Rz. 12). Dabei orientiert sich die gesetzliche Regelung an der bisherigen Rspr., die diese Form der Sachverhaltsaufklärung grds. für zulässig hält (BFH v. 12.05.2016, II R 17/14, BStBl II 2016, 822). Eine Ausweitung der bisherigen Praxis soll mit der Kodifizierung nicht verbunden sein (BR...