Tz. 8
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Das Benennungsverlangen als erste Stufe der Ermessensausübung, bei der neben den allgemeinen Ermessensgrundsätzen (s. § 5 und die dortigen Erläuterungen) insbes. Wesen und Zweck der Vorschrift (s. Rz. 2 bis 4) zu berücksichtigen sind, ist grundsätzlich gerechtfertigt, wenn aufgrund der Lebenserfahrung die Vermutung naheliegt, dass der Zahlungsempfänger oder der Gläubiger der Lasten den Bezug zu Unrecht nicht versteuert hat (BFH v. 11.07.2013, IV R 27/09, BStBl II 2013, 989 m. w. N.). Das ist regelmäßig der Fall, wenn anzunehmen ist, dass die Angaben über den Empfänger einer Zahlung (Name und Anschrift) in der Buchführung unzutreffend oder nicht vollständig sind (BFH v. 20.04.2005, X R 40/04, BFH/NV 2005, 1739 m. w. N.), wenn der Stpfl. den Empfänger oder einen tatsächlichen Leistungsträger nicht bezeichnen kann, weil ihm bei Zahlung dessen Namen und Anschrift unbekannt waren (BFH v. 10.11.1998, I R 108/97, BStBl II 1999, 121) oder wenn für den Stpfl. bei vernünftiger Beurteilung der Umstände erkennbar gewesen ist, dass die angebotenen Leistungen nicht von seinem Vertragspartner erbracht wurden und daher von der Einschaltung inländischer Leistungsträger auszugehen ist (BFH v. 25.01.2006, I R 39/05, BFH/NV 2006, 1618). Das Benennungsverlangen und die Nichtberücksichtigung der Ausgaben bei unterlassener Empfängerbenennung sind auch dann rechtmäßig, wenn die geltend gemachten Ausgaben mit Sicherheit dem Stpfl. entstanden sind (BFH v. 11.07.2013, IV R 27/09, BStBl II 2013, 989 m. w. N.). Liegen Anhaltspunkte für straf- oder bußgeldrechtliche Bestechungshandlungen vor, hat das FA stets die Benennung des Gläubigers oder Empfängers zu verlangen (AEAO zu § 160, Nr. 1 Satz 2; für die Zuwendung von Vorteilen i. S. des § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG s. BMF v. 10.10.2002, IV A 6 – S 2145 – 35/02, BStBl I 2002, 1031, Rz. 36 und 37); sind die Voraussetzungen für ein Abzugsverbot nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 10 EStG dagegen zweifelsfrei erfüllt, verbietet sich eine Anwendung des § 160 AO (s. Rz. 6). Die Empfängerbenennung ist erforderlich bei Ohne-Rechnung-Geschäften, bei Zahlungen mit ungewöhnlichen Zahlungswegen, bei Bargeschäften mit Unbekannten oder in ungewöhnlichem Umfang, bei Lohnbarauszahlungen im Baugewerbe (BFH v. 30.11.2004, XI B 48/04, BFH/NV 2005, 1209), bei Verdacht auf Schwarzarbeit (s. dazu Seer in Tipke/Kruse, § 160 AO Rz. 14 m. w. N.). Bei Benennungsersuchen gegenüber Kreditinstituten ist § 30a Abs. 1 AO in die Ermessenserwägungen einzubeziehen (BFH v. 25.02.2004, I R 31/03, BStBl II 2004, 582).
Tz. 9
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Da § 160 AO die Sicherstellung der Besteuerung beim Empfänger bezweckt, kommt ein Benennungsverlangen nicht in Betracht, wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststeht, dass der Empfänger im Inland nicht steuerpflichtig ist (BFH v. 12.08.1999, XI R 51/98, BFH/NV 2000, 299 m. w. N.), es sei denn, es liegen Anhaltspunkte für eine straf- oder bußgeldbewehrte Bestechungshandlung vor (AEAO zu § 160, Nr. 1 Abs. 1 Satz 2). Hierzu ist der Empfänger in dem Umfang zu bezeichnen, dass seine Steuerpflicht im Inland mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann. Die bloße Möglichkeit mangelnder Steuerpflicht reicht nicht aus (BFH v. 25.02.2004, I B 66/02, BFH/NV 2004, 919). Ggf. soll die Finanzbehörde eine Erklärung der mit dem Geschäft betrauten Personen sowie des verantwortlichen Organs des Unternehmens verlangen, dass ihnen keine Umstände bekannt sind, die für einen Rückfluss der Zuwendung an einen inländischen Empfänger sprechen. Hierzu AEAO zu § 160, Nr. 4.
Tz. 10
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Benennung des Empfängers usw. muss für den Stpfl. zumutbar sein. Das Verlangen darf nicht unverhältnismäßig sein und die für den Stpfl. zu befürchtenden Nachteile (z. B. wirtschaftliche Existenzgefährdung) dürfen nicht außer Verhältnis zum beabsichtigten Aufklärungserfolg (z. B. geringfügige Steuernachholung bei den Empfängern) stehen. Ob das der Fall ist, hängt von den jeweiligen Umständen des jeweiligen einzelnen Geschäftsvorfalles im Zeitpunkt der fraglichen Zahlung ab (BFH v. 11.07.2013, IV R 27/09, BStBl II 2013, 989 m. w. N.). Grundsätzlich ist es dem Stpfl. im Zeitpunkt der Zahlung nach den Gepflogenheiten eines ordnungsgemäßen Geschäftsverkehrs zumutbar, sich über die Identität seines Geschäftspartners zu vergewissern. Identitätsüberprüfungen sind nicht bereits deshalb unzumutbar, weil ungewöhnliche Marktbedingungen vorliegen oder der Stpfl. insgesamt eine Vielzahl von Geschäftsvorfällen zu erfassen hat. Wirtschaftliche Schäden muss der Stpfl. in Kauf nehmen. Regelmäßig steht der Rechtmäßigkeit des Benennungsverlangens nicht entgegen, dass der Stpfl. den Empfänger tatsächlich nicht bezeichnen kann, weil ihm bei Auszahlung des Geldes dessen Name und Anschrift unbekannt waren (BFH v. 11.07.2013, IV R 27/09, BStBl II 2013, 989 m. w. N.), oder dass der Stpfl. dem Empfänger ehrenwörtlich versprochen hat, der Finanzbe...