Katharina Wagner, Dr. Klaus J. Wagner
Tz. 22
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Hat sich der Verwaltungsakt vor Entscheidung durch das Gericht über die Klage durch Rücknahme oder auf sonstige Weise erledigt (zum Erledigungsbegriff s. § 138 FGO Rz. 3), kann der Kläger beantragen, dass das Gericht durch Urteil ausspricht, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, sofern der Kläger ein berechtigtes (nicht nur rechtliches) Interesse an dieser Entscheidung hat (§ 100 Abs. 1 Satz 4 FGO). Fehlt es an einer Erledigung des VA, ist eine Fortsetzungsfeststellungsklage nicht statthaft (BFH v. 27.07.2010, VII B 227/09, BFH/NV 2010, 2238). Für diesen Übergang von der Anfechtungsklage zur Feststellungsklage hat sich der Ausdruck Fortsetzungsfeststellungsklage eingebürgert. Der Antrag setzt eine verwaltungsaktbezogene Klage voraus, sodass eine Fortsetzungsfeststellungsklage bei Leistungs- und Feststellungsklagen nicht möglich ist. Obwohl § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO die Entscheidung in Anfechtungssachen betrifft, ist die Fortsetzungsfeststellungsklage auf Verpflichtungsklagen entsprechend anwendbar, die ja meist auch ein Anfechtungsbegehren umfassen (st. Rspr., u. a. BFH v. 19.06.1991, I R 37/90, BStBl II 1991, 914; BFH v. 28.06.2000, X R 24/95, BStBl II 2000, 514). Im vorläufigen Rechtsschutzverfahren (§§ 69, 114 FGO) ist § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO nicht entsprechend anwendbar (BFH v. 29.04.1992, VI B 152/91, BStBl II 1992, 752 m. w. N.; BFH v. 17.07.2013, III B 30/13, BFH/NV 2013, 1625). Der Antrag, der auch im Revisionsverfahren, ungeachtet dessen, ob der Kläger oder die beklagte Behörde Revisionskläger ist, möglich ist (BFH v. 16.12.1986, VIII R 123/83, BStBl II 1987, 248; BFH v. 12.01.1988, VII R 55/84, BFH/NV 1988, 453; BFH v. 19.04.2016, II B 66/15, BFH/NV 2016, 1059), muss ausdrücklich gestellt werden; dies kann auch hilfsweise geschehen (BFH v. 16.04.1986, I R 32/84, BStBl II 1986, 736).
Tz. 23
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Hat sich der Verwaltungsakt vor Klageerhebung erledigt, ist eine Klage, mit der von Anfang an die Feststellung der Rechtswidrigkeit dieses Verwaltungsakts begehrt wird, als zulässig anzusehen, denn da die Erhebung einer eigenständigen Feststellungsklage in einem derartigen Fall nicht unter § 41 Abs. 1 FGO subsumiert werden kann, würde der Rechtsschutz des Klägers in Abhängigkeit von zeitlichen Zufälligkeiten ausgehöhlt werden. Der Fortsetzungszusammenhang mit der Anfechtungsklage dokumentiert sich in der Forderung, dass diese "uneigentliche Fortsetzungsfeststellungsklage" in ihrer Zulässigkeit insoweit von der Zulässigkeit der Anfechtungsklage unter der fiktiven Voraussetzung abhängig ist, dass sich der angefochtene Verwaltungsakt nicht zwischenzeitlich erledigt hätte. Zur Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage in solchen Fällen s. auch BFH v. 07.08.1979, VII R 14/77, BStBl II 1979, 708; BFH v. 05.04.1984, IV R 244/83, BStBl II 1984, 790 und (betr. Vorauszahlungsbescheide) BFH v. 21.06.1990, V R 97/84, BStBl II 1990, 804. Unberührt bleibt das Erfordernis der Erfüllung aller im Gesetz für die Erhebung der Anfechtungsklage vorgeschriebenen Prozess- (Sachurteils-)Voraussetzungen.
Tz. 24
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist nur zulässig, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse (= besondere Sachentscheidungsvoraussetzung) an der Feststellung der Rechtswidrigkeit hat. Die begehrte Festsetzung muss geeignet sein, zu einer Positionsverbesserung des Stpfl. zu führen. Daran fehlt es, wenn der Kläger nur ein allgemeines Interesse an der Klärung einer Rechtsfrage geltend macht (BFH v. 10.02.2010, XI R 3/09, BFH/NV 2010, 1450; BFH v. 22.07.2008, VIII R 8/07, BStBl II 2008, 941). Ein berechtigtes Interesse ist ein durch die Sachlage vernünftigerweise gerechtfertigtes Interesse, das rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur sein kann. kann (BFH v. 16.12.1986, VIII R 123/86, BStBl II 1987, 249; BFH v. 19.04.2016, II B 66/15, BFH/NV 2016, 1059). Das besondere Interesse kann auch darin liegen, dass unter den gegebenen Umständen sich gleichartige Sachverhalte auch bei künftigen Besteuerungsverfahren des Klägers mit großer Wahrscheinlichkeit wiederholen werden (Wiederholungsgefahr) und anzunehmen ist, dass die Finanzbehörde dabei zu ihrer ursprünglichen, dem Steuerpflichtigen ungünstigen Rechtsauffassung zurückkehren will (BFH v. 16.12.1971, IV R 221/67, BStBl II 1972, 182). Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass eine rechtliche Bindung der Finanzbehörde an die Feststellung des Finanzgerichts für andere Verfahren des Klägers nicht gegeben ist. So hat BFH v. 29.05.1979, VI R 21/77, BStBl II 1979, 650, ein berechtigtes Interesse bejaht, wenn ein Antrag auf Erhöhung eines im Lohnsteuerermäßigungsverfahren eingetragenen Freibetrags sich wegen Zeitablaufs im Lohnsteuerabzugsverfahren nicht mehr auswirken kann, die begehrte Feststellung aber aus prozessökonomischen Gründen für das nachfolgende Veranlagungsverfahren beachtlich ist (s. auch BFH v. 07.06.1989, X R 12/84, BStBl II 1989, 976; BFH v. 16.09.2004,...