Tz. 17
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Der Verwaltungsakt kann auch zum Nachteil des Steuerpflichtigen geändert werden (§ 367 Abs. 2 Satz 2 AO). Liegen alle verfahrensrechtlichen und materiellrechtlichen Voraussetzungen vor, wird daraus eine Änderungspflicht (BFH v. 17.12.1998, IX R 45/96, BFH/NV 1998, 816). Die fehlerhafte Rechtsanwendung soll sowohl zugunsten als auch zuungunsten des Steuerpflichtigen korrigiert werden. Das Finanzamt ist daher auch dann noch zum Erlass einer verbösernden Einspruchsentscheidung berechtigt, wenn es zuvor einen Änderungsbescheid erlassen hat, in dem es dem Einspruchsbegehren teilweise entsprochen, jedoch nicht in voller Höhe abgeholfen hat (BFH v. 06.09.2006, XI R 51/05, BStBl II 2007, 83). § 367 Abs. 2 Satz 2 AO kommt dabei nur verfahrensregelnde Wirkung zu. Die Möglichkeit der Verböserung ergibt sich bereits aus dem Grundsatz der gleichmäßigen Steuerfestsetzung und -erhebung (Dumke in Schwarz/Pahlke, § 367 AO Rz. 17). Auch gegenüber dem nach § 360 Abs. 3 AO Hinzugezogenen ist eine Verböserung möglich (BFH v. 28.11.1989, VIII R 40/84, BStBl II 1990, 551). Gleiches gilt für nicht angefochtene, einer Teilbestandskraft fähige Teile eines teilbaren Verwaltungsaktes, wie bei der gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, hierzu § 179 AO Rz. 7.
Tz. 18
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Verböserung ist grundsätzlich jede nachteilige Änderung des Regelungsinhaltes. Auch die Aufhebung eines begünstigenden Verwaltungsaktes ist eine Verböserung (mit Kritik Seer in Tipke/Kruse, § 367 AO Rz. 23). Keine Verböserung ist die Zurückweisung des Einspruchs als unbegründet oder unzulässig (BFH v. 14.03.2012, X R 50/09, BStBl II 2012, 536) oder die Änderung des Verwaltungsakts aufgrund allgemeiner Korrekturvorschriften. Dazu zählt auch die Aufhebung eines Nachprüfungsvorbehalts (BFH v. 21.08.1996, I R 75/95, BFH/NV 1997, 314; BFH v. 13.10.1999, I B 156/98, BFH/NV 2000, 545; a. A. Seer in Tipke/Kruse, § 367 Rz. 23).
Tz. 19
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Finanzbehörde muss den Einspruchsführer unter Angabe von Gründen auf die Absicht einer verbösernden Entscheidung hinweisen (§ 367 Abs. 2 Satz 2 AO). Neben der Absicht zur Verböserung sind zudem die steuerlichen Auswirkungen der Verböserung darzulegen (BFH v. 21.09.1983, II R 153/82, BStBl II 1984, 177), der Sachverhalt darzustellen, der die Verböserung veranlasst und die Gründe für die Änderung der Rechtsauffassung aufzuzeigen (BFH v. 21.09.1983, II R 153/82, BStBl II 1984, 177). Es muss objektiv und nachprüfbar erkennbar sein, in welcher Beziehung und in welchem Umfang die Finanzbehörde ihre der Steuerfestsetzung zugrunde liegende Auffassung geändert hat (BFH v. 15.12.1992, VIII R 27/91, BFH/NV 1993, 599). Dem Einspruchsführer soll die Möglichkeit gegeben werden, die Erfolgsaussichten seines Rechtsbehelfs zu überprüfen, den Einspruch gegebenenfalls zurückzunehmen und damit die Verböserung abzuwenden. Kann dieser Zweck nicht erreicht werden, ist auch ein Hinweis auf die Verböserungsabsicht nicht erforderlich (BFH v. 10.07.1996, I R 5/96, BStBl II 1997, 5; Birkenfeld in HHSp, § 367 AO Rz. 450). Eines Hinweises bedarf es deshalb dann nicht, wenn die Änderung nach allgemeinen Korrekturvorschriften erfolgt oder erfolgen kann (Rz. 17) (FG Ha v. 06.09.1988, II 121/84, EFG 1989, 201; a. A. Seer in Tipke/Kruse, § 367 AO Rz. 27, der einen Hinweis zumindest dann für unverzichtbar hält, wenn eine Änderung auch nach allgemeinen Korrekturvorschriften möglich wäre). Der unterbliebene Hinweis ist auch dann unschädlich, wenn die Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO) steht und deshalb auch nach Rücknahme des Einspruchs noch zum Nachteil des Steuerpflichtigen geändert werden kann bzw. der Nachprüfungsvorbehalt aufgehoben werden soll (BFH v. 17.02.1998, IX R 45/96, BFH/NV 1998, 816; so auch Seer in Tipke/Kruse, § 367 AO Rz. 27). Beides gilt nicht, wenn bereits Festsetzungsverjährung eingetreten ist. Mit Rücknahme des Einspruchs würde dann die Ablaufhemmung (§ 171 Abs. 3a AO) und damit der Nachprüfungsvorbehalt entfallen (Birkenfeld in HHSp, § 367 AO Rz. 456; so auch BFH v. 25.02.2009, IX R 24/08, BStBl II 2009, 587, der selbst bei einer Änderung nach § 132 AO i. V. m. § 164 Abs. 2 AO im Rahmen des Einspruchsverfahrens eine Hinweispflicht unter analoger Anwendung des § 367 Abs. 2 Satz 2 AO für geboten hält, soweit nur durch den Einspruch die Festsetzungsfrist gem. § 171 Abs. 3a AO im Ablauf gehemmt ist).
Tz. 20
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Hat das FA im Einspruchsverfahren eine Frist bestimmt, bis zu der es dem Stpfl. möglich sein soll, bei Vermeidung der zugleich angedrohten Verböserung den Einspruch zurückzunehmen, so kann ein Verstoß gegen Treu und Glauben vorliegen, wenn es gleichwohl vor Ablauf der selbst gesetzten Frist die verbösernde Einspruchsentscheidung erlässt. Ein solcher Verstoß stellt einen wesentlichen Verfahrensmangel dar, der zur Aufhebung der verbösernden Entscheidung führt (BFH v. 15.05.2013, VIII R 18/10, D...