1. Aussetzung der Vollziehung
Tz. 10
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Grundvoraussetzung für die Entstehung von Aussetzungszinsen ist die Aussetzung des mit dem Einspruch oder der Anfechtungsklage angefochtenen Verwaltungsaktes i. S. des § 237 Abs. 1 Satz 1 AO. Eine Aussetzung setzt also stets einen den Stpfl. belastenden Verwaltungsakts und einen entsprechenden Rechtsbehelf voraus. Oft wird die Aussetzung der Vollziehung erst aufgrund eines Antrages des Stpfl. gewährt. Für die Verzinsung ist grundsätzlich ohne Belang, ob die Aussetzung durch die Finanzbehörde oder durch das Gericht erfolgt und ob sie zu Recht oder zu Unrecht gewährt wurde (BFH v. 12.12.2007 XI R 25/07, BFH/NV 2008, 339). Etwas anderes gilt aber, wenn der Stpfl. eine von Amts wegen angeordnete Aussetzung der Vollziehung angefochten hat und die Aussetzungsverfügung vor ihrer Bestandskraft aufgehoben wird. Die "aufgedrängte Aussetzung" löst insoweit keine Zinspflicht aus. Dies ist sowohl im Zinsfestsetzungsverfahren als auch im Rahmen eines Zinsverzichts zu prüfen (BFH v. 09.05.2012, I R 91/10, BFH/NV 2012, 2004). Eine Aufhebung der Vollziehung steht der Aussetzung gleich (§ 361 Abs. 3 Satz 4 AO, § 69 Abs. 3 Satz 4 FGO). Bei einer Teilaussetzung ist nur der ausgesetzte Teil zu verzinsen. Bei Grundlagen- und Folgebescheiden bedarf es wegen der Abgrenzung von § 237 Abs. 1 Satz 1 zu Satz 2 AO und den sich daraus ergebenden Folgen für den Zinslauf der Prüfung, welcher der Bescheide ausgesetzt ist (s. BFH v. 14.07.1995, X R 33/91, BStBl II 1995, 4). Aussetzungszinsen sind nicht zu erheben, wenn der angefochtene Grundlagenbescheid antragsgemäß geändert wird und sich infolge dessen sich der Rechtsstreit bezüglich des Folgebescheids erledigt. Dabei ist die steuerliche Auswirkung des Grundlagenbescheids auf den Folgebescheid ohne Bedeutung (BFH v. 27.10.2003, X B 36/03, BFH/NV 2004, 158; BFH v. 31.08.2011, X R 49/09, BStBl II 2012, 219). Vergleichbares gilt auch im Verhältnis von Vorauszahlungsbescheiden und Jahresbescheiden (BFH v. 07.07.1994, XI B 3/94, BStBl II 1994, 785; gl. A. Loose in Tipke/Kruse, § 237 AO Rz. 14).
Stundung (§ 222 AO) und Vollstreckungsaufschub (§ 258 AO) sind keine Aussetzung der Vollziehung, sodass keine Aussetzungszinsen entstehen. Allerdings entstehen im Fall der Stundung Stundungszinsen, beim Vollstreckungsaufschub fallen weiter Säumniszuschläge an.
2. Erfolglosigkeit des Rechtsbehelfs
Tz. 11
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Weitere Voraussetzung der Entstehung des Zinsanspruchs ist, dass der gegen den Verwaltungsakt, dessen Vollziehung ausgesetzt wurde oder der Grundlagenbescheid für den in der Vollziehung ausgesetzten Verwaltungsakt ist, eingelegte Rechtsbehelf ganz oder teilweise endgültig keinen Erfolg gehabt hat (BFH v. 10.10.2012, VIII R 56/10, BStBl II 2013, 107). Endgültig keinen Erfolg hat ein Rechtsbehelf dann und insoweit, als er entweder durch unanfechtbare Entscheidung abgewiesen (zurückgewiesen, verworfen) wurde, oder durch den Rechtsbehelfsführer (Einspruchsführer, Kläger) zurückgenommen wurde (BFH v. 12.12.2007, XI R 25/07, BFH/NV 2008, 339). Bei Grundlagenbescheiden kommt es auf die Erfolgslosigkeit des Rechtsbehelfs gegen den Grundlagenbescheid an, sodass auch für einen Beigeladenen Aussetzungszinsen erst nach Abschluss des gegen den Grundlagenbescheid gerichteten Verfahrens Aussetzungszinsen festgesetzt werden können (BFH v. 10.10.2012, VIII R 56/10, BStBl II 2013, 107). Entsteht Streit über die Wirksamkeit einer Klagerücknahme, wird das ursprüngliche Verfahren fortgeführt. Die Erfolglosigkeit steht dann erst mit dem Endurteil über die Wirksamkeit der Klagerücknahme fest (BFH v. 07.02.2005, IX B 185/03, BFH/NV 2005, 836). Endgültig erfolglos ist ein Rechtsbehelf auch dann, wenn der Stpfl. im finanzgerichtlichen Verfahren obsiegt, der BFH aber die Klage im Rechtsmittelverfahren abweist. Erledigt sich der Rechtsbehelf durch Teilabhilfe und wird insoweit eine Erledigungserklärung der Beteiligten abgegeben, tritt Erfolglosigkeit hinsichtlich des Teils ein, mit dem der Stpfl. unterlegen ist, da § 237 Abs. 1 AO jede Art der Erledigung umfasst (BFH v. 18.07.1994, X R 33/91, BStBl II 1995, 4; BFH v. 11.12.1996, X R 123/95, BFH/NV 1997, 275; BFH v. 14.06.2017, I R 38/15, DStR 2017, 2433). Ob und ggf. mit welchem Erfolg Verfassungsbeschwerde eingelegt wurde ist nicht Gegenstand der Regelung, sodass der Zinsanspruch bereits mit der endgültigen Erfolglosigkeit der abgabenrechtlichen bzw. finanzgerichtlichen Rechtsbehelfe entsteht (BFH v. 11.02.1987, II R 176/86, BStBl II 1987, 320; BFH v. 18.07.1994, X R 33/91, BStBl II 1995, 4; BFH v. 14.06.2007, VII B 185/06, BFH/NV 2007, 2055). Aus welchem Grund der Rechtsbehelf keinen Erfolg hatte, ist ohne Bedeutung; maßgebend ist lediglich der Unterschiedsbetrag zwischen der ausgesetzten und der aufgrund bestands- bzw. rechtskräftiger Festsetzung geschuldeten Steuer (BFH v. 27.11.1991, X R 103/89, BStBl II 1992, 319). Die Zinspflicht trifft auch denjenigen, der als (Gesamt-)Rechtsnachfolger ein begonnenes Rechtsbehelfsverfahren fortführt (BFH v. 2...