Karl Blesinger, Dr. Andreas Viertelhausen
Tz. 15
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Auswirkung auf die Steuerschuld haben auch die Fälle, in denen ein Merkmal des die Steuerschuld auslösenden Tatbestandes aus anderen Gründen nachträglich mit Wirkung für die Vergangenheit kraft Gesetzes wegfällt. Hauptsächliche Anwendungsfälle sind die Änderung von Ansätzen in Schlussbilanzen, aus deren Zweischneidigkeit sich für das Ergebnis des Folgejahres die umgekehrte Auswirkung ergibt (BFH v. 29.11.1965, GrS 1/65 S, BStBl III 1966, 142), sowie das nachträgliche Auffinden von Testamenten oder deren Ungültigkeitserklärung mit Wirkung für den der Besteuerung zugrunde gelegten erbrechtlichen Tatbestand (RFH v. 24.10.1940, RStBl 1940, 931; RFH v. 16.12.1943, RStBl 1944, 27). Zu denken ist weiter an die auch an anderer Stelle behandelten (s. Rz. 9; ferner § 41 AO Rz. 1 f.), ebenfalls mit gesetzlicher Rückwirkung ausgestatteten Fälle der Anfechtung von Rechtsgeschäften wegen Irrtums, Täuschung oder Drohung (s. §§ 119, 123 BGB; BFH v. 30.09.1960, VI 240/58 U, BStBl III 1960, 465).
Tz. 16
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Von Bedeutung ist auch der Verlustrücktrag nach § 10d EStG. Der aus ihm resultierende Erstattungsanspruch entsteht nicht mit Ablauf des Jahres des Verlustabzugs, sondern erst mit Ablauf des Jahres der Verlustentstehung (BFH v. 06.06.2000, VII R 104/98, BStBl II 2000, 491) und hat damit rückwirkenden Einfluss auf bereits entstandene Steueransprüche der Vorjahre, indem nachträglich der Tatbestand des § 10d EStG zum tragen kommt.
Tz. 17
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Nichtigerklärung einer Steuerrechtsnorm durch das Verfassungsgericht gehört nicht hierher (BFH v. 04.03.1964, II 162/62, BStBl III 1964, 308; BFH v. 07.10.1964, I 294/62 U, BStBl III 1964, 656; BVerfG v. 29.01.1965, 1 BvR 768/64, BB 1965, 274). Zwar entfällt damit der gesetzliche Steuertatbestand als Anspruchsgrundlage, doch richtet sich die Rechtsfolge nach § 79 Abs. 2 BVerfGG.
Tz. 18
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Für Fälle des nachträglichen Wegfalls von Tatbestandsmerkmalen (genauer: von konkreten Sachverhaltsmerkmalen) mit Wirkung für die Vergangenheit gibt § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ein verfahrensrechtliches Instrumentarium. Diese Vorschrift ist auch auf die oben in Rz. 14 behandelten Fälle auflösend bedingter Steuerschulden, insbes. aufgrund von wirksamen Steuerklauseln, anzuwenden. Im Falle des Verlustrücktrags ergibt sich die Änderungsmöglichkeit aus § 10d Abs. 1 Satz 2 EStG.