Tz. 15
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Grundsätzlich ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auf Antrag des Beteiligten zu gewähren (aber s. Rz. 11). Der Antrag ist fristgebunden: Er ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Abweichend davon beträgt die Frist bei Versäumung der Frist zur Begründung der Revision (§ 120 Abs. 2 Satz 1 FGO) oder der NZB (§ 116 Abs. 3 Satz 1 FGO) einen Monat (§ 56 Abs. 2 Satz 1 FGO). Innerhalb dieser Frist ist auch die versäumte Handlung vorzunehmen (§ 56 Abs. 2 Satz 3 FGO). Sie ist nicht verlängerbar (z. B. BFH v. 21.07.2005, X B 66/05, BFH/NV 2005, 1862; BFH v. 16.03.2015, XI B 1/15, BFH/NV 2015, 860; Söhn in HHSp, § 56 FGO Rz. 460; Brandis in Tipke/Kruse, § 56 FGO Rz. 16). Außerdem müssen alle den Wiedereinsetzungsantrag begründenden Tatsachen innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist vorgetragen und glaubhaft gemacht werden; nur die Glaubhaftmachung kann noch später im Laufe des Verfahrens nachgeholt werden (BFH v. 17.06.2010, IX B 32/10, BFH/NV 2010, 1655; BFH v. 10.12.2010, V R 60/09, BFH/NV 2011, 617). Zur hinreichenden Glaubhaftmachung gehört eine vollständige, substantiierte und in sich schlüssige Darlegung der Tatsachen, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen können (z. B. BFH v. 15.12.2010, IV R 5/10, BFH/NV 2011, 809; BFH v. 28.07.2017, X S 2/17 [PKH], BFH/NV 2017, 1629). Einer Glaubhaftmachung bedarf es nicht, wenn aus Gründen, die aktenkundig und damit amtsbekannt sind, Wiedereinsetzung zu gewähren ist (z. B. BFH v. 12.07.2017, X B 16/17, BFH/NV 2017, 1204).
Tz. 16
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Wiedereinsetzungsfrist beginnt mit Wegfall des Hindernisses, grds. also dann, wenn der Beteiligte Kenntnis von der Fristversäumnis erlangt (dazu s. § 110 AO Rz. 33), z. B. mit dem Vorliegen der gerichtlichen Mitteilung über den Zeitpunkt des Klageeingangs (BFH v. 16.12.1988, III R 13/85, BStBl II 1989, 328). Dies bestimmt sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls. Unterlässt beispielsweise ein Verfahrensbevollmächtigter, sich nach Übermittlung eines Schriftsatzes mittels Telefax unverzüglich bei dem Empfangsgericht zu vergewissern, ob der Schriftsatz rechtzeitig eingegangen ist, wenn ausweislich des Übersendungsprotokolls feststeht, dass ein mehrseitiger, fristwahrender Schriftsatz in der Nacht des Fristablaufs erst nach 24.00 Uhr versandt worden ist, beginnt die Wiedereinsetzungsfrist am Tag nach dem Fristablauf, da die gebotene Nachfrage bei Gericht die Fristversäumung offenbart hätte (BFH v. 28.02.2014, V B 32/13, BFH/NV 2014, 885). Die Pflicht zur Überprüfung der Rechtzeitigkeit des Klageeingangs bzw. Revisions- oder Beschwerdeeingangs anhand der Eingangsmitteilung des Gerichts hängt nicht davon ab, dass schon ohnehin Anhaltspunkte für eine mögliche Fristversäumnis vorlagen, sondern besteht in jedem Falle (BFH v. 20.12.2000, I B 116/00, BFH/NV 2001, 481; auch BAG v. 14.07.1994, 2 AZR 122/94, juris). Die Verletzung dieser Pflicht steht einem erfolgreichen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entgegen.
Tz. 17
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Ist die versäumte Rechtshandlung rechtzeitig nachgeholt, kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag von Amts wegen gewährt werden (§ 56 Abs. 2 Satz 3 FGO). Die Wiedereinsetzung von Amts wegen kommt nicht in Betracht bei einer Abweichung der Uhren der Telefax-Geräte von Sender und Empfänger (BFH v. 01.10.2003, X B 96/03, juris).
Tz. 18
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Gem. § 56 Abs. 3 FGO kann grds. nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist keine Wiedereinsetzung mehr beantragt oder bewilligt werden. Damit besteht eine grundsätzliche absolute zeitliche Grenze. Diese gilt nur dann nicht, wenn ein Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war (s. § 110 AO Rz. 41). Dies dürfte nur äußerst selten der Fall sein.