Tz. 32
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Sind Aufwendungen für einen Bevollmächtigten oder Beistand im außergerichtlichen Vorverfahren entstanden, hängt ihre Erstattungsfähigkeit davon ab, dass sie in dem anschließenden finanzgerichtlichen Verfahren vom Gericht für notwendig i. S. von § 139 Abs. 1 FGO erklärt werden (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO). Vorverfahren ist nur das Einspruchsverfahren i. S. von §§ 347ff. AO. Es muss tatsächlich durchgeführt worden sein. Dabei kann es sich durchaus auch um den Einspruch gegen die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung (§ 361 Abs. 2 AO) handeln (s. FG Sa v. 06.06.1975, 235/74, EFG 1975, 431). Ein Vorverfahren fehlt bei einer Untätigkeitsklage (§ 45 FGO), und zwar auch dann, wenn sich diese gegen einen auf Einspruch hin geänderten Steuerbescheid richtet (BFH v. 08.10.1971, II B 32/69, BStBl II 1972, 92). Auch bei Umwandlung eines Einspruchs in eine sog. Sprungklage (§ 46 FGO) hat i. S. von § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO kein Vorverfahren geschwebt (BFH v. 28.08.1973, BStBl II 1973, 852). Das Gleiche gilt, wenn die Klage sich ausschließlich gegen die den Einspruch als unzulässig verwerfende Einspruchsentscheidung richtet, die Einspruchsentscheidung also isoliert angefochten wird (so auch FG K 24.08.1989, 7 K 498/86, EFG 1990, 69). Bei der Untätigkeitsklage ist das nicht abgeschlossene Einspruchs- bzw. Beschwerdeverfahren das Vorverfahren i. S. von § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO (BFH v. 06.06.1969, III B 23/68, BStBl II 1969, 438). Das behördliche Verfahren betreffend die AdV (§ 361 Abs. 2 AO, § 69 Abs. 2 FGO) ist auch in Anbetracht von § 69 Abs. 4 FGO kein Vorverfahren i. S. von § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO (so auch FG He v. 09.12.1982, IV B 359 – 360/82, EFG 1983, 299; FG Mchn v. 31.03.2009, 13 V 3855/08, juris; FG Bln-Bbg v. 04.04.2012, 12 V 12204/11, EFG 2012, 1352). Eine Zuerkennung der Kosten des Vorverfahrens gem. § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO ist nicht möglich, wenn das Vorverfahren nicht unmittelbar und verfahrensnotwendig vorangegangen ist (z. B. Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit nach § 125 Abs. 5 AO bei Klage wegen Feststellung der Nichtigkeit von Schätzungsbescheiden; FG Mchn v. 04.09.2008, 2 K 1865/08, EFG 2009, 2). In Steuerberaterprüfungssachen gibt es wegen § 348 Nr. 4 AO kein außergerichtliches Rechtsbehelfsverfahren, sodass auch kein Vorverfahren i. S. von § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO gegeben ist. In diesen Verfahren kann auch für das in § 29 DVStB geregelte prüfungsrechtliche Überdenkungsverfahren die Zuziehung eines Bevollmächtigten nicht für notwendig erklärt werden, da es sich nicht um ein außergerichtliches Vorverfahren i. S. des § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO handelt (FG Bln-Bbg v. 09.02.2010, 12 K 12.076/07, EFG 2010, 824). Ebenso wenig ist das Verwaltungsverfahren betreffend einen Antrag auf Änderung eines Steuerbescheids nach § 164 Abs. 2 AO ein Vorverfahren (FG Ddorf v. 05.03.2014, 6 Ko 307/14 KF, EFG 2014, 863).
Tz. 33
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Bei der Festsetzung von Kosten für die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren handelt es sich um Rechtsanwendung, nicht etwa um eine Frage des Ermessens. § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO stellt nach allem, was das Erfordernis der Zuziehung für das Vorverfahren betrifft, keine über den Entstehungstatbestand von Gebühren nach dem RVG hinausgehenden weiteren tatbestandlichen Erfordernisse auf. Nicht erforderlich ist, dass der für das Vorverfahren zugezogene Bevollmächtigte selbst Erklärungen abgegeben hat oder sonst nach außen aufgetreten ist (FG Ha v. 19.02.2010, 4 K 243/08, juris; FG SAnh v. 04.01.2011, 5 KO 1294/10, EFG 2011, 901). Für die Frage, ob die durch die Zuziehung eines Beistandes im Vorverfahren entstandenen Kosten erstattungsfähig sind, ist § 80 Abs. 4 AO nicht mit dem Ergebnis heranzuziehen, dass der Beistand anlässlich von Verhandlungen und Besprechungen bei der Finanzbehörde erschienen sein muss. § 80 Abs. 4 AO betrifft lediglich die Zulässigkeit derartiger Handlungen eines Beistandes, ohne dem Steuerpflichtigen die darüber hinaus gehende Inanspruchnahme eines Beistandes zu verwehren. Die im Vorverfahren z. B. anlässlich der Mithilfe bei der Anfertigung von Schriftsätzen entstandenen Kosten eines Beistandes sind daher ebenfalls dem Grunde nach erstattungsfähig, wenn die Tätigkeit des Bevollmächtigten nach außen hin erkennbar war.
Tz. 34
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig, wenn die Sach- und Rechtslage nicht so einfach war, dass sich der Beteiligte selbst vertreten konnte (FG Bre v. 09.11.1999, 298266 K 2, EFG 2000, 273). Allerdings kommt es dabei nicht auf die eigene Sachkunde des Klägers (und vormaligen Einspruchsführers) an, sondern lediglich auf die abstrakte Schwierigkeit und den Umfang der Sache. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Steuerrecht mittlerweile ein Ausmaß an Kompliziertheit angenommen hat, dass kaum ein Stpfl. seine Interessen im Einspruchsverfahren ohne Beratung durch einen Rechtsanwalt oder Steuerberater sachgerecht verfolgen k...