Katharina Wagner, Dr. Klaus J. Wagner
1. Vorbemerkung
Tz. 8
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Eine Revision ist begründet, wenn das durch die Revision angefochtene Urteil Bundesrecht oder revisibles Landesrecht verletzt und die Entscheidung des FG auf dieser Rechtsverletzung beruht. In diesem Fall eröffnet – sofern nicht wegen § 126 Abs. 4 FGO eine Zurückweisung der Revision erfolgen kann – § 126 Abs. 3 FGO zwei Möglichkeiten: Der BFH kann in der Sache selbst entscheiden (s. Rz. 9) oder die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverweisen. Die Gesetzesformulierung "kann" deutet ein Ermessen des BFH an. Dieses ist jedoch durch die Funktion des BFH als Rechtsmittelgericht eingeschränkt. Der BFH hat zu beachten, dass die Sachverhaltsaufklärung allein Aufgabe der Tatsacheninstanz ist. Folglich kann der BFH seine Entscheidung nur auf der Grundlage der finanzgerichtlichen Feststellungen treffen, er also nur dann "durchentscheiden", wenn die Sache aufgrund des vom FG festgestellten Sachverhalts spruchreif ist. Faktisch besteht also kein Entscheidungsspielraum für den BFH. Bei absoluten Revisionsgründen kommt – mit Ausnahme der in Rz. 7 angesprochenen Sonderfälle – in der Regel nur eine Zurückverweisung in Betracht. In beiden Fällen entscheidet der BFH durch Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung durch den Senat in der Besetzung von fünf Berufsrichtern; in der Praxis wird auch häufig durch Gerichtsbescheid (§ 90a FGO) entschieden.
Wird das Urteil nicht im vollen Ausmaß der Beschwer angefochten, ist es bei begründeter Revision nur insoweit aufzuheben, als der Revisionsantrag reicht, gleichgültig ob der BFH in der Sache selbst entscheidet oder zurückverweist (BFH v. 31.05.1989, II R 110/87, BStBl II 1989; 733; BFH v. 10.12.2009, V R 13/08, BFH/NV 2010, 960). Eine Ausnahme gilt allerdings dann, wenn der BFH wegen eines Verstoßes gegen die Grundordnung des Verfahrens zur Zurückverweisung gelangt; solche Verstöße ergreifen stets das gesamte FG-Urteil. Sofern dem BFH wegen Art. 177 EWGV/Art. 234 EGV n. F. (beachte dessen Abs. 3) die Vorfragenkompetenz fehlt, ist die Sache zunächst zum Zwecke der Vorabentscheidung dem EuGH vorzulegen. Bei teilweiser Begründetheit der Revision ist das angefochtene Urteil hinsichtlich des fehlerhaften Teils aufzuheben und ggf. zurückzuweisen und die Revision im Übrigen als unbegründet zurückzuweisen (BFH v. 04.02.1999, IV R 54/97, BStBl II 2000, 139).
2. Entscheidung in der Sache
Tz. 9
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Möglichkeit einer abschließenden Entscheidung hat der BFH nur, wenn der vom FG festgestellte Sachverhalt zur Feststellung ausreicht, ob und ggf. welchem Umfang die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht, die Sache muss "spruchreif" sein. Liegt Spruchreife vor, sind also keine weiteren tatsächlichen Ermittlungen erforderlich, muss der BFH in der Sache entscheiden; insoweit besteht entgegen der insoweit missverständlichen Gesetzesformulierung, die stets auf Ermessen hindeutet (s. Rz. 8), kein Spielraum für eine Zurückverweisung. Insbes. darf der BFH nicht aufgrund von in der Revisionsinstanz vorgebrachten neuen Vorbringens eine Zurückverweisung aussprechen, weil neue Tatsachen im Revisionsverfahren keine Berücksichtigung finden dürfen. Dies gilt auch dann, wenn der BFH die neuen Tatsachen für entscheidungserheblich ansieht.
Tz. 10
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Der Inhalt der Entscheidung besteht in einer Ersetzung der finanzgerichtlichen Entscheidung durch eine eigene Entscheidung des BFH, folglich besteht die Entscheidung aus zwei Komponenten. Zum einen hebt der BFH die Entscheidung des FG auf, zum anderen trifft er eine Entscheidung über den oder die Streitgegenstände. Der einfachste Fall ist die Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts und der FG-Entscheidung, die diesen Verwaltungsakt bestätigt hat. Hat das FG einer Klage gegen einen Verwaltungsakt stattgegeben und ist die dagegen gerichtete Revision erfolgreich, weist der BFH die Revision zurück und die Klage ab. Im Übrigen lässt sich der Inhalt der BFH-Entscheidung nicht generell bestimmen, da er von dem Klage- und Revisionsbegehren abhängig ist. Der BFH ist auch nicht gehindert Steuerbeträge selbst festzusetzen, die Berechnung der Steuer der Finanzbehörde zu übertragen oder Steuerbescheide aufzuheben. Dem BFH steht also die volle Entscheidungskompetenz zu. Bei Ermessensentscheidungen der FinVerw. darf aber auch der BFH sein Ermessen nicht an die Stelle der FinVerw. setzen, sofern nicht ein Fall der Ermessensreduzierung auf "Null" vorliegt.
Tz. 11
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Bei mehreren Streitgegenständen oder teilbaren Streitgegenständen kann der BFH auch nur zum Teil durcherkennen und – soweit noch keine Entscheidungsreife besteht – im Übrigen zurückverweisen. Über einzelne Streitpunkte oder Rechtsfragen kann der BFH nicht gesondert entscheiden.
Tz. 12
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Entscheidet der BFH in der Sache selbst, hat er über die Kosten des gesamten Verfahrens zu entscheiden (Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung); dies g...