Tz. 5
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Voraussetzung für die Untätigkeitsklage ist, dass das FA die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes verzögert. Diese Mitteilung kann formlos erfolgen (BFH v. 09.04.1968, I B 48/67, BStBl II 1968, 471). Hat die Behörde den Grund für die Verzögerung mitgeteilt, ist die Klage nur dann zulässig, wenn es sich nicht um einen zureichenden Grund handelt. Ob ein zureichender Grund vorliegt, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Ein zureichender Grund (Levedag in Gräber, § 46 FGO Rz. 22) ist z. B. das Fehlen der Verwaltungsakten oder die Anweisung einer vorgesetzten Behörde (BFH v. 13.05.1971, V B 61/70, BStBl II 1971, 492), "Arbeitsüberlastung" (FG BW v. 20.09.1999, 9 K 216/99, EFG 2000, 1021) oder "Personalmangel" und dergl., also Umstände, welche die FinVerw, nicht aber der Bürger zu vertreten hat. Desgleichen liegt kein zureichender Grund vor, wenn das FA sich auf noch nicht abgeschlossene steuerstrafrechtliche Ermittlungen stützt, die jedoch keinen Einfluss auf das Rechtsbehelfsverfahren haben können (BFH v. 27.06.2012, XI B 8/12, BFH/NV 2012, 1809).
Tz. 5a
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Von einem zureichenden Grund für eine Verzögerung kann nur dann die Rede sein, wenn die (Sach-)Entscheidung von dem die Erledigung verzögernden (noch ausstehenden) Umstand abhängt bzw. dieser Umstand tatsächlich eine wesentliche (Mit-)Ursache für die ausbleibende Entscheidung ist (BFH 25.07.2012, I R 74/11, BFH/NV 2013, 82). Regelmäßig ist das der Fall, wenn das Verfahren mit Zustimmung des Einspruchsführers (§ 363 Abs. 2 Satz 1 AO), kraft Gesetzes (§ 363 Abs. 2 Satz 2 AO) oder aufgrund einer Allgemeinverfügung ruht (§ 363 Abs. 2 Satz 3 AO). Das Abwarten eines finanzgerichtlichen "Musterverfahrens" stellt einen zureichenden Grund dar (BFH v. 07.10.2010, V R 43/08, BFH/NV 2011, 989; BFH v. 27.06.2012, XI B 8/12, BFH/NV 2012, 1809). Dies gilt auch, wenn das FA zunächst die Entscheidung des FG in einem Klageverfahren abwarten will, weil sich für das Rechtsbehelfsverfahren im Wesentlichen dieselben Rechtsfragen für andere Veranlagungszeiträume stellen (BFH v. 06.03.2013, III B 113/12, BFH/NV 2013, 976). Solange der Einspruchsführer nicht nach § 363 Abs. 2 Satz 4 AO die Fortsetzung des Verfahrens beantragt hat, ist u. E. die Untätigkeitsklage missbräuchlich erhoben und damit unzulässig, weil es der Rechtsbehelfsführer selbst in der Hand hat, die Fortsetzung des Einspruchsverfahrens zu betreiben. Auch die Aussetzung des Verfahrens nach § 363 Abs. 1 AO bildet grundsätzlich einen zureichenden Grund (BFH v. 11.08.1992, III B 147/92, BFH/NV 1993, 311), wobei allerdings deren Voraussetzungen voll nachprüfbar sind, weil die Aussetzungsverfügung keinen Verwaltungsakt darstellt (aber s. § 363 AO Rz. 17; gl. A. von Groll in Gräber, § 46 FGO Rz. 20; Seer in Tipke/Kruse, § 46 FGO Rz. 11, § 363 AO Rz. 30; a. A. Brockmeyer in Klein, § 363 AO Rz. 28; unklar Birkenfeld in HHSp, § 363 AO Rz. 15).
Tz. 6
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Neben der Untätigkeitsklage nach § 46 FGO ist weder eine Verpflichtungsklage auf Erlass der von der Finanzbehörde nach § 363 Abs. 1 AO ausgesetzten Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf noch eine Anfechtungsklage gegen den die Aussetzung des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens anordnenden Verwaltungsakt zulässig (FG Ha v. 21.12.1970, EFG 1971, 188; BFH v. 25.10.1973, VII R 15/71, BStBl II 1974, 116; auch s. Rz. 9).
Tz. 7
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Hat die Finanzbehörde das Einspruchsverfahren nach § 363 Abs. 1 AO ausgesetzt oder ruht es nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO kraft Gesetzes, so darf die Behörde andererseits keine Einspruchsentscheidung erlassen, bis der Ruhensgrund entfallen ist. Verstößt sie dagegen, ist die Einspruchsentscheidung rechtswidrig und kann isoliert mit der Anfechtungsklage angefochten werden. Sie ist dann vom Gericht aufzuheben (s. § 44 FGO Rz. 7).