Katharina Wagner, Dr. Klaus J. Wagner
Tz. 5
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Verurteilung der beklagten Behörde zum Erlass des begehrten gebundenen Verwaltungsaktes setzt voraus, dass die Sache spruchreif ist (vgl. BFH v. 26.08.2010, III R 80/07, BFH/NV 2011, 401). Da das Gericht nur die Verpflichtung der Behörde aussprechen darf, ist es ihm verwehrt, den begehrten Verwaltungsakt selbst zu erlassen. Spruchreife bedeutet, dass der Tatbestand feststehen muss, der die Voraussetzungen der Anspruchsnorm erfüllt und der den Erlass des Verwaltungsaktes rechtfertigt; dazu gehören auch die Tatsachen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch die Nichtvornahme des Verwaltungsaktes ergeben. Zu Ermessensentscheidungen s. § 102 FGO.
Tz. 6
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Grds. ist das FG nicht verpflichtet, die Sache durch eigene Ermittlungen zur Spruchreife zu bringen (BFH v. 07.04.1987, IX R 103/85, BStBl II 1987, 707; BFH v. 09.06.2015, III B 96/14, BFH/NV 2015, 1269), obwohl es hieran nicht gehindert ist. Die amtliche Ermittlungspflicht (§ 76 FGO) in Verbindung mit dem Rechtsschutzinteresse des Klägers, aber auch die Verfahrensökonomie, können gebieten, dass das FG eine Sachaufklärung, der es in einzelnen Punkten noch bedarf, selbst vornimmt. Grundsätzlich aber ist festzuhalten, dass es nicht Sache der Gerichte ist, den Verwaltungsbehörden zustehende Funktionen auszuüben, sondern dass ihre Aufgabe darin besteht, das bisher Geschehene bzw. Unterlassene auf seine Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Deshalb muss das Gericht auch nur insoweit Spruchreife herstellen, wie dies zu einer Aufhebung des ablehnenden Verwaltungsaktes erforderlich ist (s. auch BFH v. 09.11.1983, II R 71/82, BStBl II 1984, 446). Das bedeutet: Das Gericht darf grds. von der Finanzverwaltung noch nicht geprüfte Sachverhalte aufgreifen und durch eigene Ermittlungen klären – es ist aber nicht dazu verpflichtet; ihm obliegt nur die Pflicht, den Sachverhalt bis zur Entscheidungsreife über ein Bescheidungsurteil aufzuklären (s. auch BFH v. 31.01.2013, III R 15/10, BFH/NV 2013, 1071). Der gegenteiligen Auffassung des BVerwG und des BSG sowie die Kommentarliteratur zur VwGO, die meinen, die Verpflichtung des Gerichts, die Spruchreife durch Sachaufklärung herbeizuführen, entfalle nur ausnahmsweise, ist nicht zu folgen (Nachweise bei Brandis in Tipke/Kruse, § 101 FGO Rz. 2, 3).