1. Allgemeines
Tz. 30
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Stpfl. haben über die Art und den Inhalt ihrer Geschäftsbeziehungen i. S. des § 1 Abs. 4 AStG Aufzeichnungen zu erstellen (§ 90 Abs. 3 Satz 1 AO). Wegen der Einzelheiten wird auf § 90 Abs. 3 AO und die Kommentierung dazu verwiesen.§ 162 Abs. 3 und 4 AO regeln die Rechtsfolgen, wenn der Stpfl. keine Aufzeichnungen über einen Geschäftsvorfall vorlegt oder wenn die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar sind oder wenn festgestellt wird, dass der Stpfl. Aufzeichnungen i. S. des § 90 Abs. 3 Satz 8 AO nicht zeitnah erstellt hat. Die Folgen des § 162 Abs. 3 AO greifen nur, wenn sich die Verletzung von Mitwirkungspflichten auf die Aufzeichnungen über einzelne Geschäftsvorfälle bezieht (BT-Drs. 18/9536, 43).§ 162 Abs. 3 und 4 AO enthalten Regelungen sowohl der Beweisrisikoverlagerung und von Schätzungen (§ 162 Abs. 3 AO) als auch von Zuschlägen (§ 162 Abs. 4 AO). Rechtssystematisch findet sich die Zuschlagsregelung am falschen Platz. Zu den besonderen Aufzeichnungspflichten bei Auslandsbezug s. § 90 AO Rz. 6 ff. Zu den Rechtsfolgen bei Verstößen gegen Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 1 bis 3 AO s. BMF v. 12.04.2005, IV B 4 – S 1341 – 1/05 (Verwaltungsgrundsätze-Verfahren), BStBl I 2005, 570, Tz. 4 ff. und BMF v. 13.10.2010, IV B 5 – S 1341/08/10003 (Verwaltungsgrundsätze Funktionsverlagerung), BStBl I 2010, 774, Rn. 198 ff.
2. Vermutung und Schätzung bei Verletzung der Mitwirkungspflicht (§ 162 Abs. 3 AO)
Tz. 31
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Verletzt ein Stpfl. seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 3 AO, indem er die nach § 90 Abs. 3 AO vorgeschriebenen Aufzeichnungen nicht vorlegt, die von ihm vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar sind oder wenn festgestellt wird, dass er die Aufzeichnungen über außergewöhnliche Geschäftsvorfälle (§ 90 Abs. 3 Satz 3 AO) nicht zeitnah erstellt hat, ist das Beweismaß zugunsten der Finanzbehörde gemindert (BFH v. 17.10.2001, I R 103/00, BStBl II 2004, 171); es wird widerlegbar vermutet, dass die im Inland steuerpflichtigen Einkünfte des Stpfl., zu deren Ermittlung die Aufzeichnungen i. S. des § 90 Abs. 3 AO dienen, höher als die von ihm erklärten Einkünfte sind (§ 162 Abs. 3 Satz 1 AO). Es wird dabei davon ausgegangen, dass die vom Stpfl. erklärten Einkünfte dem Fremdvergleich nicht standhalten, seine Steuererklärung insoweit nicht glaubhaft ist. Anwendungsbereich sind vor allem die Verrechnungspreise. Da die Vermutung widerlegbar ist, kann der Stpfl. den Gegenbeweis antreten und die Angemessenheit z. B. der von ihm angesetzten Verrechnungspreise belegen (BMF v. 12.04.2005, BStBl I 2005, 570, Tz. 4.6 ff.).
Tz. 32
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Ist der Stpfl. nicht in der Lage darzulegen, dass und aus welchem Grunde seine Preise trotzdem dem Fremdvergleich entsprechen, hat das FA zu schätzen (§ 162 Abs. 3 Satz 2 AO); ein Ermessen ist ihm nicht eingeräumt. Die Schätzung soll in Verrechnungspreisfällen zur Besteuerung des Gewinns führen, der erzielt worden wäre, wenn bei dem Fremdvergleich entsprechende Preise angesetzt worden wären. Können die zu schätzenden Einkünfte nur innerhalb eines bestimmten Rahmens, insbes. nur aufgrund von Preisspannen bestimmt werden, kann das FA bei seiner Schätzung den Rahmen voll zulasten des Stpfl. ausschöpfen, d. h. z. B. den steuerlich maßgeblichen Verrechnungspreis am oberen Rand der Preisspanne ansetzen (Rüsken in Klein, § 162 AO Rz. 29a). Es ist dazu aber nicht verpflichtet. Das FA hat insoweit nach pflichtgemäßem Ermessen zu handeln. Es hat zuvor die Aufklärung beim Ausländer zu versuchen (Seer in Tipke/Kruse, § 162 AO Rz. 71a; Rüsken in Klein, § 162 AO Rz. 29b). Europarechtliche Bedenken bestehen gegen diese Regelung nicht (Hahn/Suhrbier-Hahn, IStR 2003, 84; a. A. Schnorberger, DB 2003, 1241; Streck/Mack/Schwedhelm, Stbg 2003, 428 m. w. N.).
3. Vermutung und Schätzung bei Anhaltspunkten höherer Einkünfte bei Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes
Tz. 33
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
In gleicher Weise hat gem. § 162 Abs. 3 Satz 3 AO die Finanzbehörde vorzugehen, wenn trotz Vorlage verwertbarer Aufzeichnungen durch den Stpfl. Anhaltspunkte dafür bestehen, dass seine Einkünfte bei Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes höher wären als die Einkünfte, die er aufgrund der Aufzeichnungen erklärt hat, und wenn diese Zweifel nicht aufgeklärt werden können, weil eine ausländische, nahestehende Person ihre Mitwirkungs- und Auskunftspflichten nach §§ 90 Abs. 2 und 93 Abs. 1 AO nicht erfüllt. Aufklärung kann in diesen Fällen erfolgen durch die Vorlage von Unterlagen, durch Auskünfte der ausländischen nahestehenden Person. Die Finanzbehörde kann diese Mitwirkungs- und Auskunftspflichten jedoch nicht durchsetzen. Andererseits verlangt der Grundsatz der Gleichbehandlung, dass der Stpfl. deswegen letztlich keine steuerlichen Vorteile erlangt. Durch die Schätzung am ungünstigsten Punkt des Schätzungsrahmens soll Druck auf die ausländische Person ausgeübt werden, die genannten Mitwirkungs- und Auskunftspflichten zu erfüllen. Die Regelung ist nach der Begründung (BR-Drs. 220/07, 141) besonders wichtig für die Besteuerung von Funktionsverlagerungen...