Tz. 8
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Für die Zulässigkeit eines gerichtlichen Aussetzungsantrags gelten grds. die allgemeinen Sachentscheidungsvoraussetzungen (dazu s. Vor FGO Rz. 26 ff.). Daher ist z. B. die Antragsbefugnis mit der Klagebefugnis (§ 40 Abs. 2, § 48 FGO) verknüpft. Hat ein Feststellungsbeteiligter, obwohl er klagebefugt ist, den einheitlichen Feststellungsbescheid nicht selbst angefochten, ist er solange nicht antragsbefugt, als er nicht zum Klageverfahren eines anderen Feststellungsbeteiligten beigeladen ist (BFH v. 15.03.1994, IX B 151/93, BStBl II 1994, 519, dazu s. § 48 FGO Rz. 4 ff.). Bedient sich der Antragsteller eines Bevollmächtigten, so gilt hinsichtlich der Vollmacht § 62 Abs. 6 FGO, s. § 62 FGO Rz. 16 ff.). Der Antrag ist gegen die Finanzbehörde zu richten, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat; es gilt § 63 FGO (s. § 63 FGO Rz. 1 ff.; vgl. z. B. BFH v. 17.07.2008, VI B 40/08, BFH/NV 2008, 1874). Vor dem BFH muss sich der Antragsteller durch einen postulationsfähigen Bevollmächtigten vertreten lassen (§ 62 Abs. 4 FGO).
Tz. 9
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Da die AdV einen vollziehbaren Verwaltungsakt voraussetzt, muss in der Hauptsache die Anfechtungsklage (§ 40 Abs. 1 1. Alt. FGO) als statthafte Klageart gegeben sein; dies folgt aus § 114 Abs. 5 FGO (s. § 114 FGO Rz. 2; s. Rz. 1). Dabei ist ein AdV-Antrag auch gegen die Anordnung des dinglichen Arrests (§ 324 Abs. 1 AO) statthaft, denn § 69 FGO wird nicht durch § 45 Abs. 4 FGO verdrängt (BFH v. 06.02.2013, XI B 125/12, BFH/NV 2013, 615). Vorläufiger Rechtsschutz bei Ablehnung eines Begehrens auf Fortschreibung oder Aufhebung eines Einheitswerts auf einen späteren Stichtag wird im Wege der AdV (§ 361 AO, § 69 FGO) gewährt (BFH v. 10.04.1991, II B 66/89, BStBl II 1991, 549; BFH v. 24.04.1991, II B 185/90, BFH/NV 1991, 697; BFH v. 02.03.2017, II B 33/16, BStBl II 2017, 646). An dem Erfordernis eines (vollziehbaren) Verwaltungsakts fehlt es z. B. bei Säumniszuschlägen, die gem. § 240 AO kraft Gesetzes entstehen und daher als solche nicht Gegenstand einer AdV sein können (BFH v. 30.09.2015, I B 86/15, BFH/NV 2016, 569). Der Widerruf einer dem Arbeitgeber erteilten LSt-Anrufungsauskunft (§ 42e EStG) ist ein feststellender, aber nicht vollziehbarer Verwaltungsakt, sodass insoweit die AdV nicht statthaft ist (BFH v. 30.04.2009, VI R 54/07, BStBl II 2010, 996; BFH v. 15.01.2015, VI B 103/14, BStBl II 2015, 447). Das Verfahren z. B. betreffend die Aufhebung der Vollziehung eines Duldungsbescheids (§ 191 Abs. 1 Satz 1 AO) wird mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Steuerschuldners mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig: Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Antragstellers tritt zwar keine Unterbrechung des AdV-Verfahrens gem. § 155 Satz 1 FGO i. V. m. § 240 ZPO (dazu s. § 74 FGO Rz. 13) ein, jedoch entfällt das Rechtsschutzbedürfnis, da eine Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheids nicht mehr zulässig ist (BFH v. 27.08.2014, VII B 37/14, BFH/NV 2015, 3; BFH v. 31.01.2017, V B 14/16, BFH/NV 2017, 611).
Tz. 10
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Es muss grds. ein Rechtsbehelf in der Hauptsache eingelegt sein. Das kann ein Einspruch (§ 347 AO) sein, wenn das Einspruchsverfahren noch schwebt (s. Rz. 2) oder – nach dessen Abschluss – eine Anfechtungsklage beim FG erhoben worden sein. Eine Ausnahme gilt für die Fälle, in denen das Gericht im Zeitraum zwischen der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung und der Klageerhebung angerufen wird (s. § 69 Abs. 3 Satz 2 FGO). Dieser Rechtsbehelf muss nicht notwendigerweise zulässig sein. Denn für die Klage gilt, dass die Sachentscheidungsvoraussetzungen bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung bzw. bei einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung bis zur Entscheidung vorliegen müssen (s. Vor FGO Rz. 26). Eine Einschränkung dieses Grundsatzes besteht aber dann, wenn der Zulässigkeitsmangel der Klage nicht mehr geheilt werden kann, z. B. bei einer Verfristung der Klage ohne Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 FGO. Wenn also feststeht, dass die Klage unheilbar unzulässig ist, so besteht für den Antrag kein Rechtsschutzbedürfnis; er ist dann unzulässig. Wurde z. B. der im Hauptsacheverfahren angefochtene Verwaltungsakt durch Zurückweisung der NZB oder der Revision unanfechtbar, ist der Antrag auf AdV ebenfalls unzulässig (BFH v. 24.06.2008, IV S 15/08, juris; BFH v. 25.01.2011, IV B 35/09, BFH/NV 2011, 820). Ein AdV-Antrag ist folglich auch unzulässig, wenn die Klage oder das Rechtsmittel zurückgenommen wurde (BFH v. 22.01.2013, IX S 16/12, BFH/NV 2013, 757). Eine Verfassungsbeschwerde (s. Vor FGO Rz. 59 ff.) rechtfertigt keinen Antrag auf AdV an das FG, da in diesem Fall einstweiliger Rechtsschutz nur durch das BVerfG (§ 32 BVerfGG) gewährt werden kann (BFH v. 15.07.2009, VIII S 14/09, juris). Andererseits gilt § 69 FGO auch, wenn der Antrag auf AdV erstmals oder erneut während der Anhängigkeit einer Nichtig...