Tz. 23

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

In entsprechender Anwendung von § 240 ZPO werden durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens Steuerfestsetzungsverfahren, außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren, Klageverfahren sowie Rechtsbehelfs- und Klagefristen – soweit Insolvenzforderungen betroffen sind – unterbrochen (BFH v. 24.08.2004, VIII R 14/02, BStBl II 2005, 246; für Gerichtsverfahren gilt § 155 FGO i. V. m. § 240 ZPO: BFH v. 07.03.2006, VII R 11/05, BStBl II 2006, 573; BFH v. 13.05.2009, XI R 63/07, BStBl II 2010, 11; BFH v. 16.04.2013, VII R 44/12, BStBl II 2013, 778; BFH v. 20.01.2016, II R 34/14, BStBl II 2016, 482; BFH v. 01.06.2016, X R 26/14, BStBl II 2016, 848; AEAO zu § 251, Nr. 4).

 

Tz. 24

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Nicht unterbrochen werden Steuerermittlungsverfahren, Betriebsprüfungen, Sonderprüfungen und Fahndungsprüfungen. Ebenfalls unbeeinflusst bleiben Haftungsverfahren Dritter, z. B. auch die Geschäftsführerhaftung des Gesellschaftergeschäftsführers einer insolventen Personengesellschaft nach § 69 AO.

 

Tz. 25

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Entsprechend § 240 Satz 2 ZPO tritt die Unterbrechung bereits mit der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters ein, wenn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf einen vorläufigen Insolvenzverwalter übergegangen ist (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO i. V. m. § 22 Abs. 1 InsO; sog. starker vorläufiger Insolvenzverwalter). Die in der Praxis übliche Anordnung anderer Sicherungsmaßnahmen hat indes keine Unterbrechenswirkung und dies auch dann nicht, wenn ein Zustimmungsvorbehalt i. S. von § 21 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. InsO angeordnet ist (sog. schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter).

 

Tz. 26

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Ansprüche aus einem Steuerschuldverhältnis, die gem. § 174 InsO als Insolvenzforderung zur Eintragung in die Tabelle anzumelden sind, dürfen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens grundsätzlich nicht mehr festgesetzt werden. Dennoch erlassene Steuerbescheide sind unzulässig und unwirksam. Gleiches gilt für Änderungsbescheide nach § 164 Abs. 1 Satz 1 AO und §§ 172ff. AO zuungunsten des Insolvenzschuldners sowie für Haftungsbescheide (BFH v. 25.07.2012, I R 74/11, BFH/NV 2013, 82). In der Praxis übersendet das FA dem Insolvenzverwalter "informatorische Bescheide". Hierbei handelt es sich nicht um Verwaltungsakte, sondern um Steuerberechnungen in Gestalt von Steuerbescheiden (ohne Rechtsbehelfsbelehrung), anhand derer das FA dem Insolvenzverwalter die zur Insolvenztabelle angemeldeten Steueransprüche erläutert (zum Anspruch des Insolvenzverwalters auf Erteilung eines Kontoauszugs für den Insolvenzschuldner s. BFH v. 19.03.2013, II R 17/11, BStBl II 2013, 639).

 

Tz. 27

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Ebenfalls unzulässig sind Bescheide, durch die Besteuerungsgrundlagen festgestellt oder festgesetzt werden, die ihrerseits Auswirkungen auf die nach § 174 InsO zur Tabelle anzumeldende Steuerforderungen haben können (BFH v. 24.11.2011, V R 13/11, BStBl II 2012, 298; BFH v. 16.04.2013, VII R 44/12, BStBl II 2013, 778; BFH v. 11.12.2013, XI R 22/11, BFH/NV 2014, 598; AEAO zu § 251, Nr. 4.3). Beantragt der Insolvenzverwalter allerdings ausdrücklich die Feststellung oder Festsetzung von Besteuerungsgrundlagen – etwa weil die Feststellung vorteilhaft ist, z. B. zu einem Verlustrücktrag oder zu einer Erstattung von Vorauszahlungen führt – ist ausnahmsweise die Feststellung oder Festsetzung der Besteuerungsgrundlagen zulässig (BFH v. 18.12.2002, I R 33/01, BStBl II 2003, 630). Zulässig ist auch ein auf 0 EUR lautender KSt-Bescheid für einen Besteuerungszeitraum vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (BFH v. 10.12.2008, I R 41/07, BFH/NV 2009, 719). Ebenfalls zulässig ist der Erlass eines USt-Bescheids, in den eine negative Umsatzsteuer für einen Besteuerungszeitraum vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens festgesetzt wird, wenn sich daraus keine Zahllast ergibt (BFH v. 13.05.2009, XI R 63/07, BStBl II 2010, 11; BFH v. 21.11.2013, V R 21/12, BFH/NV 2014, 646). Zur Zulässigkeit im Einzelnen s. § 179 AO Rz. 5.

 

Tz. 28

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Ein unterbrochenes Einspruchsverfahren kann der Insolvenzverwalter entsprechend § 180 Abs. 2 InsO durch Erklärung gegenüber dem FA aufnehmen. Hierbei tritt der Insolvenzverwalter in die Stellung des Einspruchsführers als Partei kraft Amtes ein. Das FA kann ein unterbrochenes Einspruchsverfahren infolge § 179 Abs. 2 InsO nicht aufnehmen, es sei denn der Insolvenzverwalter nimmt das Verfahren nicht auf. Nimmt er nicht auf, kann das FA das Verfahren von sich aus weiter betreiben (§ 180 Abs. 2 InsO i. V. m. § 185 InsO; BFH v. 23.02.2005, VII R 63/03, BStBl II 2005, 591; Loose in Tipke/Kruse, § 251 AO Rz. 50). Die Einspruchsentscheidung ersetzt in diesem Fall den Feststellungsbescheid i. S. des § 251 Abs. 3 AO (s. Rz. 35).

 

Tz. 29

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Unterbrechung der Klageverfahren hat zur Folge, dass keine wirksamen Prozesshandlungen mehr vorgenommen werden können un...

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