Katharina Wagner, Dr. Klaus J. Wagner
1. Spruchkompetenz
Tz. 7
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Der Spruch in Verpflichtungssachen betrifft die Entscheidung sowohl über die Rechtswidrigkeit der erfolgten Ablehnung bzw. Unterlassung des Verwaltungsaktes (unselbstständige Anfechtungsklage) wie über die Verpflichtung der Behörde, den Verwaltungsakt vorzunehmen (mit der Anfechtungsklage verbundene Verpflichtungsklage). Letzteres setzt die Bestimmbarkeit des Verwaltungsaktes nach Gegenstand und – gegebenenfalls – auch nach seinem Betrage voraus. Soweit es hierzu einer Ermessensentscheidung (§ 5 AO) bedarf, bleibt zu beachten, dass das FG grundsätzlich nicht berechtigt ist, das der Finanzbehörde zustehende Verwaltungsermessen auszuüben (s. § 102 FGO Rz. 5). Eine Ausnahme gilt, wenn der Spielraum für die Ermessensentscheidung den Umständen nach so eingeengt ist, dass sich keine Alternativen ergeben und nur eine Entscheidung in Betracht kommt, Ermessensreduzierung auf "null" (s. BFH v. 11.07.1996, V R 18/95, BStBl II 1997, 259). Bei Verwaltungsakten, die den Billigkeitserlass oder die Stundung von Steuerbeträgen betreffen, wird diese Voraussetzung in der Regel nicht erfüllt sein; das gilt auch für begünstigende Verwaltungsakte anderer Art. Es handelt sich in einem solchen Falle nicht um eine Frage fehlender Spruchreife, sondern um einen Mangel der Spruchkompetenz, der seinen Grund in der Gewaltenteilung hat. Die Verurteilung erfolgt mit entsprechender Einschränkung, d. h. unter Angabe des Rahmens, innerhalb dessen die Finanzbehörde bei Vornahme des Verwaltungsaktes das ergänzende Verwaltungsermessen auszuüben hat. Es handelt sich um ein sog. Bescheidungsurteil, s. Rz. 9.
2. Urteilsformel bei spruchreifer Sache
Tz. 8
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Ist die Sache spruchreif und besteht Spruchkompetenz (zu Ermessensentscheidungen s. Rz. 7), lautet die Urteilsformel auf Aufhebung des ablehnenden Verwaltungsakts und der ihn bestätigenden Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf und Verpflichtung der beklagten Behörde, einen bestimmten Verwaltungsakt vorzunehmen, z. B. den begehrten Änderungsbescheid zu erlassen, eine Fortschreibung vorzunehmen usw. (Verpflichtungsurteil im engeren Sinn). Spruchkompetenz besteht stets in den Fällen, in denen das Begehren dahin geht, die Finanzbehörde zum Erlass eines gebundenen Verwaltungsaktes zu verpflichten.
3. Urteilsformel bei fehlender Spruchreife
Tz. 9
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Ist der Rechtsstreit nicht spruchreif, geht die stattgebende Entscheidung dahin, dass die Ablehnung oder Unterlassung des begehrten Verwaltungsaktes oder eines Verwaltungsaktes der begehrten Art rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt, des Weiteren auf die Verpflichtung der beklagten Behörde, den Kläger auf seinen der Klage zugrunde liegenden Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes zu bescheiden (BFH v. 29.03.2007, IX R 9/05, BFH/NV 2007, 1617; 27.09.2001, X R 134/98, BStBl II 2002, 176; BFH v. 14.03.2012, XI R 33/09, BFH/NV 2012, 893). Die näheren Einzelheiten gehören in die Urteilsgründe. In diesen wird sich auch das Gericht darüber zu äußern haben, in Ansehung welcher Umstände es die Sache als noch nicht spruchreif betrachtet und was demgemäß zu geschehen hat, um dem Antrag auf Erlass des begehrten Verwaltungsaktes oder eines Verwaltungsaktes der begehrten Art die notwendige Erfolgsaussicht zu sichern, ferner unter Beachtung welcher rechtlichen Gesichtspunkte die beklagte Behörde über diesen erneuten Antrag zu entscheiden hat.
Hat der Kläger mit seiner Klage den Erlass eines Verpflichtungsurteils im engeren Sinn begehrt und erstreitet er nur ein Bescheidungsurteil, bleibt die Entscheidung hinter dem Antrag zurück, sodass ein Teilunterliegen vorliegt. Dies ist im Tenor der Entscheidung zu berücksichtigen, in dem die Klage im Übrigen abgewiesen wird. Bei der Kostenentscheidung können der Behörde in entsprechender Anwendung von § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO die gesamten Kosten des Verfahrens auferlegt werden (BFH v. 02.06.2005, III R 66/04, BStBl II 2006, 184; BFH v. 24.02.2010, III R 73/07, BFH/NV 2010, 1429).