Schrifttum
von Wedelstädt, Tatsächliche Verständigung – Rechtslage, Voraussetzungen, Inhalt und Folgen, DB 1991, 515;
Iwanek, Aufhebung der Bindungswirkung einer tatsächlichen Verständigung, DStR 1993, 1394; Streck, Die "tatsächliche Verständigung" in der Praxis, StuW 1993, 366;
Seer, Verträge, Vergleiche und sonstige Verständigungen im deutschen Steuerrecht, StuW 1995, 213;
Schmidt-Liebig, Tatsächliche Verständigungen über Schätzungsgrundlagen, DStZ 1996, 643;
Seer, Das Rechtsinstitut der sog. tatsächlichen Verständigung im Steuerrecht, BB 1999, 78;
Offerhaus, Die tatsächliche Verständigung – Voraussetzungen und Wirkung, DStR 2001, 2093;
von Wedelstädt, Die tatsächliche Verständigung, AO-StB 2001, 190;
Fittkau, Die Genehmigung einer tatsächlichen Verständigung durch das Veranlagungsfinanzamt, DStZ 2003, 231;
Bornheim, Grenzen und Möglichkeiten der tatsächlichen Verständigung, AO-StB 2004, 363 (Teil I) und 399 (Teil II);
Pump/Fittkau, Tatsächliche Verständigung und Zinsfestsetzung, AO-StB 2004, 402;
Seer, Das Rechtsinstitut der sog. tatsächlichen Verständigung im Zoll- und Verbrauchsteuerrecht, RIW 2005, 838;
Pump/Fittkau, Checkliste zur tatsächlichen Verständigung, AO-StB 2007, 129 (Teil I) und 154 (Teil II);
U.-C. Dißars, Ungeklärte Rechtsfragen der tatsächlichen Verständigung, NWB 2010, 2141.
1. Allgemeines
Tz. 15
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Der BFH hat grundsätzlich anerkannt (st. Rspr., u. a. BFH v. 08.10.2008, I R 63/07, BStBl II 2009, 121 m. w. N.), dass durch eine sog. tatsächliche Verständigung zwischen den Beteiligten, d. h. dem FA und dem Stpfl., die Annahme eines bestimmten Sachverhalts oder eine bestimmte Sachbehandlung vereinbart werden können. Ihr Zweck ist es, zu jedem Zeitpunkt des Besteuerungsverfahrens hinsichtlich bestimmter Sachverhalte, deren Klärung schwierig, aber zur Festsetzung der Steuern notwendig ist, den möglichst zutreffenden Besteuerungssachverhalt i. S. des § 88 AO einvernehmlich festzulegen (BFH v. 08.10.2008, I R 63/07, BStBl II 2009, 121). Dies dient der Verfahrensbeschleunigung und dem Rechtsfrieden. Dem liegt zugrunde, dass sich die Sachverhaltsermittlung nicht selten aufwendig und zeitraubend gestaltet, ohne dass es letztlich zur zweifelsfreien Feststellung eines der Besteuerung zugrunde zu legenden Sachverhalts kommt. Folge dieser Situation sind häufig sich über Jahre hinziehende Rechtsstreite mit ungewissem Ausgang.
Tz. 16
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Bindungswirkung einer derartigen Vereinbarung setzt voraus, dass
- sie sich auf Sachverhaltsfragen – nicht aber auf Rechtsfragen – bezieht (u. a. BFH v. 11.04.2017, IX R 24/15, BStBl II 2017, 1155),
- der Sachverhalt die Vergangenheit betrifft,
- die Sachverhaltsermittlung erschwert ist,
- auf Seiten der Finanzbehörde ein für die Entscheidung über die Steuerfestsetzung zuständiger Amtsträger beteiligt ist und
- die tatsächliche Verständigung nicht zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führt BFH v. 08.10.2008, I R 63/07, BStBl II 2009, 121 m. w. N.).
Tz. 17
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Tatsächliche Verständigungen können in allen Verfahrensabschnitten, also im Außenprüfungsverfahren z. B. im Rahmen einer Schlussbesprechung nach Betriebsprüfung (BFH v. 07.07.2004, X R 24/03, BStBl II 2004, 975 m. w. N.), im Rechtsbehelfs- oder Rechtsmittelverfahren (BFH v. 06.02.1991, I R 13/86, BStBl II 1991, 673), im Steuerfahndungsverfahren und nach Einleitung eines Steuerstrafverfahrens (BMF v. 30.07.2008, BStBl I 2008, 831, Nr. 1; Streck, StuW 1993, 366, 370) getroffen werden und finden auch im Zoll- und Verbrauchsteuerrecht Anwendung (Seer, RIW 2005, 838).
2. Gegenstand der tatsächlichen Verständigung
Tz. 18
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Gegenstand der tatsächlichen Verständigung ist die einvernehmliche Festlegung des Sachverhalts, der der Besteuerung zugrunde gelegt werden soll. Die Vereinbarung bezieht sich auf Sachverhaltsfragen und nicht auf Rechtsfragen (u. a. BFH v. 11.04.2017, IX R 24/15, BStBl II 2017, 1155 m. w. N.). Anwendungsmöglichkeiten liegen im Bereich der Schätzung, der Bewertung, der sachlichen Wertung eines Sachverhalts einschließlich der Beweiswürdigung (s. von Wedelstädt, DB 1991, 515, 516).
Tz. 19
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die tatsächliche Verständigung kann anders als die verbindliche Auskunft regelmäßig nur abgeschlossene Sachverhalte, nicht künftige Sachverhaltsgestaltungen betreffen (u. a. BFH v. 08.10.2008, I R 63/07, BStBl II 2009, 121). Nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung bezieht sie sich stets auf einen abgelaufenen Besteuerungszeitraum (BFH v. 13.02.2008, I R 63/06, BStBl II 2009, 414). Bei Sachverhalten mit Dauerwirkung wie z. B. bei der Festlegung der Nutzungsdauer eines Wirtschaftsgutes (FG BW v. 26.03.1992, 3 K 132/86, EFG 1992, 706) wirkt sich die tatsächliche Verständigung auch in der Zukunft aus, sofern gleich bleibende Umstände vorliegen (BFH v. 13.08.1997, I R 12/97, BFH/NV 1998, 498; Seer in Tipke/Kruse, Vor § 118 AO Rz. 12 m. w. N.; BMF v. 30.07.2008, BStBl I 2008, 831, Nr. 4.2; offenlassend BFH v. 13.02.2008, I R 63/06, BStBl II 2009, 414). Die Bind...