Karl Blesinger, Dr. Andreas Viertelhausen
Tz. 21
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Als Steuern, für die gehaftet wird, kommen nur solche in Betracht, die seit dem Beginn des letzten, vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres entstanden sind (s. § 38 AO). Dies gilt auch für Steuerabzugsbeträge. Das Ende des Zeitraums, auf den sich die Haftung erstreckt, wird von der Vorschrift nicht ausdrücklich erwähnt. Zuzustimmen ist dem BFH (BFH v. 06.10.1977, V R 50/74, BStBl II 1978, 241), wonach sich dieses Ende aus der Natur der Sache ergibt und der Wortlaut des § 75 Abs. 1 AO lediglich im Sinne einer Fixierung der zeitlichen Grenze in die Vergangenheit zu begreifen ist. Entsteht eine Betriebsteuer erst nach der Betriebsübereignung, betrifft sie jedoch einen vor der Übereignung verwirklichten Steuertatbestand, so haftet der Übernehmer gleichwohl für diese Steuer. Damit haftet der Erwerber z. B. auch für die Umsatzsteuer des Voranmeldezeitraums der Übereignung, die nach § 13 Abs. 1 Nr. 1a UStG erst mit Ablauf des Voranmeldezeitraums entsteht.
Tz. 22
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Über die Entstehung der Steueransprüche enthält die AO außer der Generalklausel des § 38 AO im Einzelnen keine Bestimmungen. Insoweit ist auf die Einzelsteuergesetze zu verweisen, mit der Einschränkung, dass es nicht auf das gesetzestechnische Entstehen nach Ablauf eines festgelegten Zeitraums ankommt, sondern auf die Tatbestandsverwirklichung hinsichtlich der einzelnen Besteuerungsgrundlagen.
Tz. 23
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Abzustellen ist im Übrigen auf den Zeitpunkt der Übereignung des Unternehmens oder Betriebs. Der Tag des Abschlusses des ihr zugrunde liegenden schuldrechtlichen Vertrags ist nicht maßgebend. Übereignung ist das dingliche Rechtsgeschäft, durch das bürgerlich-rechtlich das Eigentum an den die Sachgesamtheit Betrieb oder Unternehmen bildenden Gegenständen übergeht. Ist der Übergang des bürgerlich-rechtlichen Eigentums auch noch von Umständen abhängig, die dem Willen der Beteiligten entzogen sind (Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch), genügt die tatsächliche Übergabe und die Abgabe aller für die Übereignung erforderlichen rechtsgeschäftlichen Erklärungen (Auflassung). Erfolgt die Übereignung der zur Sachgesamtheit gehörenden Gegenstände sukzessive über mehrere Tage hinweg, so kommt es auf den Zeitpunkt an, an dem die für die Fortführung des Betriebs unerlässlichen Gegenstände übereignet sind.
Tz. 24
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Der Gesetzgeber hat versucht, das erhebliche und kaum kalkulierbare Risiko des Erwerbers dadurch zu beschränken, dass dieser nur für solche Beträge haftet, die bis zum Ablauf eines Jahres nach Anmeldung des Betriebes durch ihn (den Erwerber) festgesetzt oder angemeldet werden. Wegen der Pflicht zur Betriebsanmeldung s. §§ 138 und 139 AO. Für den Beginn der Jahresfrist ist somit nicht der tatsächliche Übergang des Betriebs auf den Erwerber, sondern der Eingang der Anmeldung i. S. der §§ 138, 139 AO bei der Finanzbehörde maßgebend. Die Festsetzung der Steuern erfolgt durch Steuerbescheid (s. § 155 Abs. 1 AO). Soweit eine Steueranmeldung vorgeschrieben ist (s. § 150 Abs. 1 Satz 2 AO), bedarf es einer Festsetzung nur ausnahmsweise (s. § 167 AO). Erfolgt die Steueranmeldung innerhalb eines Jahres nach der Betriebsanmeldung, eine eventuelle abweichende Steuerfestsetzung jedoch erst nach Ablauf dieses Jahres, haftet der Erwerber nur für den angemeldeten Betrag. Innerhalb der Jahresfrist ist es für die Haftungsbegründung ohne Belang, ob die Steuerfestsetzung dem Veräußerer gegenüber oder inzident durch Haftungsbescheid gegenüber dem Erwerber (s. § 191 AO) erfolgt. Siehe hierzu aber auch § 219 Satz 1 AO. Erfolgte die Festsetzung oder Anmeldung innerhalb der Jahresfrist, gelten für den Erlass des Haftungsbescheids die Verjährungsregelungen des § 191 Abs. 3 AO, sodass er auch noch nach Ablauf der Jahresfrist ergehen kann.