Karl Blesinger, Dr. Andreas Viertelhausen
Lilje/Müller, Ansparrücklage versus Kompensationsverbot, wistra 2001, 205;
Meine, Der Irrtum über das Kompensationsverbot, wistra 2002, 361;
Menke, Die Bedeutung des sog. Kompensationsverbots in § 370 AO, wistra 2005, 125;
Menke, Folgen des unterlassenen Vorsteuerabzugs bei gleichzeitiger Hinterziehung von Umsatzsteuer, wistra 2006, 167;
Beyer, Steuerstrafrechtliches Kompensationsverbot – Ausnahmen und Auswirkungen, NWB 2016, 772;
Bülte, Das Kompensationsverbot: ein originär strafrechtliches Rechtsinstitut des Steuerstrafrechts, 1. Teil, NZWiSt 2016, 1, 2. Teil, NZWiSt 2016, 52.
Tz. 47
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Ob der Betrag, der sonst festgesetzt worden wäre, aus anderen Gründen hätte ermäßigt werden müssen, ist ohne Bedeutung (s. § 370 Abs. 4 Satz 3 AO, sog. Kompensations- oder Vorteilsausgleichsverbot). Durch diese Regelung erfährt die Aussage, dass die Steuerhinterziehung ein Erfolgsdelikt ist, eine Einschränkung. Der Täter kann sich nicht darauf berufen, dass die Steuer aus anderen, bisher nicht berücksichtigten Gründen sowieso nicht höher hätte festgesetzt werden dürfen; er soll nicht Tatsachen, die er zu seinen Gunsten unterdrückt hat, durch andere Tatsachen ausgleichen dürfen, die – hätte er sie dem FA vorgetragen – eine niedrigere Festsetzung der Steuer begründet haben würden (BGH v. 23.06.1976, 3 StR 45/76, HFR 1977, 35). Das trifft z. B. für Erlöse aus nicht verbuchten Umsätzen zu, soweit sie ohne Verbuchung für betriebliche Ausgaben verwendet werden (BGH v. 26.01.1990, 3 StR 472/89, wistra 1990, 232) oder für einen unterbliebenen Antrag auf Zuerkennung eines ermäßigten Steuersatzes (s. § 34 EStG), aufgrund dessen eine strafbar bewirkte Einkommensteuerminderung auf legalem Wege erreichbar gewesen wäre (BGH v. 30.06.1976, 3 StR 45/76, MDR 1976, 770). Als Folge des Abschnittsprinzips (Besteuerungszeitraum) ist keine Verrechnung von Verlusten mit Gewinnen anderer Wirtschaftsjahre nach § 10d EStG möglich (BGH v. 26.06.1984, 5 StR 322/84, wistra 1984, 183). Unterlassene Vorsteuerabzüge stellen bei der Hinterziehung von Umsatzsteuer immer einen anderen Grund dar (BGH v. 23.07.1985, 5 StR 465/85, wistra 1985, 225; BGH v. 26.06.2012, 1 StR 289/12, NStZ 2012, 639; Menke, wistra 2006, 167; a. A. Joecks in JJR, § 370 AO Rn. 100). Das Kompensationsverbot greift auch dann ein, wenn ein Vorsteuerüberhang besteht und sich deshalb eine negative Zahllast ergäbe (BGH v. 24.10.1990, 3 StR 16/90, wistra 1991, 107). Weiß der Unternehmer allerdings, dass keine Umsatzsteuerschuld entstanden ist, wird er regelmäßig keinen Verkürzungsvorsatz haben (LG Oldenburg v. 15.04.1994, IV Qs 65/94, wistra 1994, 276). Der Täter kann sich grundsätzlich auf die Steuerfreiheit verschwiegener Einnahmen oder Umsätze berufen. Etwas anderes gilt aber dann, wenn die Steuerfreiheit ein weiteres verwaltungsrechtliches Prüfungsverfahren voraussetzt und dies erst nach der Tat durchgeführt wird (BGH v. 05.02.2004, 5 StR 420/03, wistra 2004, 147).
Tz. 48
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§ 370 Abs. 4 Satz 3 AO steht nicht der Anerkennung von Aufwendungen entgegen, die offensichtlich im objektiven engen wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Einnahmen stehen (BFH v. 17.04.1986, IV R 115/84, BStBl II 1986, 607; BGH v. 15.11.1989, 3 StR 211/89, wistra 1990, 59; BGH v. 05.02.2004, 5 StR 420/03, wistra 2004, 147). Bei der Feststellung des Verkürzungserfolgs sind z. B. Betriebsausgaben zu berücksichtigen, ohne die die verkürzten Einnahmen nicht erzielt werden konnten (Wareneinkauf, Lohnaufwendungen etc.). Insoweit besteht eine Parallelität zu § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 AO.
Tz. 49
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Unberührt bleibt die Berücksichtigung der vom Täter verschuldeten Tatfolgen bei der Strafzumessung (BGH v. 23.07.1985, 5 StR 465/85, wistra 1985, 225; s. Rz. 104 ff.). Das hat zur Folge, dass Umstände, die infolge des Kompensationsverbots bei der Feststellung des Taterfolgs nicht berücksichtigt werden konnten, für Zwecke der Strafzumessung dennoch ermittelt und berücksichtigt werden müssen. Hat z. B. ein Unternehmer Umsätze i. H. v. 100 000 Euro nicht angemeldet, so resultiert daraus der Verkürzungserfolg i. H. v. 19 000 Euro USt, selbst wenn er hiervon Vorsteuern i. H. v. 20 000 Euro hätte abziehen können (BGH v. 24.10.1990, 3 StR 16/90, wistra 1991, 107). Die Tatsache, dass in diesem Fall dem Fiskus tatsächlich kein Steuerausfall entstanden ist, ist erst bei der Strafzumessung zu berücksichtigen. Das setzt aber voraus, dass zum Abzug berechtigende Vorsteuern überhaupt entstanden sind (BGH v. 08.01.2008, 5 StR 582/07, wistra 2008, 153).