Karl Blesinger, Dr. Andreas Viertelhausen
Ransiek/Hüls, Zum Eventualvorsatz bei der Steuerhinterziehung, NStZ 2011, 678;
Müller, Der Vorsatz im Steuerstrafverfahren, sein Beweis und seine Abgrenzung zur Leichtfertigkeit, AO-StB 2015, 292; Grötsch, Strafrechtliche Zurechnung von Fehlern eines Beraters im Steuerstrafrecht, wistra 2017, 92.
Tz. 50
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die innere Tatseite der Steuerhinterziehung verlangt vorsätzlich-schuldhaftes Handeln des Täters (s. § 15 StGB). Leichtfertiges Handeln kann unter den Voraussetzungen des § 378 AO als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden.
Tz. 51
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Vorsätzlich handelt, wer die Tat mit Wissen und Wollen begeht. Der Täter muss wissen, dass durch sein Verhalten der strafbare Tatbestand in Handlung und Erfolg verwirklicht wird; dazu gehören gegebenenfalls auch die strafschärfenden Umstände des § 370 Abs. 3 AO (BGH v. 19.05.1989, 3 StR 590/88, wistra 1989, 263). Es ist nicht erforderlich, dass der Vorsatz sich auf alle Einzelheiten der Steuerberechnung bezieht (BGH v. 24.01.1990, 3 StR 290/89, wistra 1990, 193).
Tz. 52
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Darüber hinaus muss der Täter den strafbaren Erfolg wollen oder zumindest billigen (BGH v. 08.09.2011, 1 StR 38/11, wistra 2011, 465), selbst wenn er ihm an sich unerwünscht ist (BGH v. 22.04.1955, s StR 35/55, NJW 1955, 1688). Er muss ihn jedenfalls in Kauf nehmen, z. B. wenn Steuern hinterzogen werden, die aus dem Verkauf von Diebesgut oder veruntreuten Werten resultieren. Der Vorsatz braucht nicht unbedingt zu sein; es genügt, wenn der Täter nur mit der Möglichkeit eines strafbaren Erfolges rechnet, diesen aber für den Fall seines Eintretens billigt (in Kauf zu nehmen bereit ist, sich hiervon nicht abhalten lässt, BGH v. 16.12.2009, 1 StR 491/09, BFH/NV 2010, 1071). Der in solchen Fällen vorliegende bedingte Vorsatz unterscheidet sich von der bewussten Fahrlässigkeit, die dann gegeben ist, wenn der Täter seiner inneren Einstellung nach den möglicherweise eintretenden strafbaren Erfolg missbilligt und darauf vertraut, dass er nicht eintritt. Die Ermittlung solcher inneren Tatsachen ist zumeist schwierig. Die praktische Bedeutung der Unterscheidung ist groß, denn eine bedingt vorsätzlich bewirkte Steuerverkürzung stellt eine Straftat dar (s. § 370 AO), während eine bewusst fahrlässige Verkürzung als bloße Ordnungswidrigkeit gilt (s. § 378 AO; zur Problematik im Fall mittelbarer Parteispenden s. BFH v. 04.02.1987, I R 58/86, BStBl II 1988, 215; BGH v. 28.01.1987, 3 StR 373/86, wistra 1987, 139; zur Beauftragung eines Beraters mit der Erstellung eines Rechtsgutachtens, ohne sich mit dessen Ergebnis auseinander zu setzen s. BGH v. 10.11.1999, 5 StR 221/99, NStZ 2000, 203; instruktiv zum Vorsatz bei der Verkürzung von Kapitalerträgen: FG SchlH v. 22.11.2006, 2 K 30186/03, EFG 2008, 95, Az. d. BFH VIII R 28/07). Die Kontrollfrage muss immer lauten: "Wusste es der Täter?". Hätte er es lediglich wissen müssen, scheidet Vorsatz aus (BGH v. 05.03.2008, 2 StR 50/08, NStZ 2008, 451).
Tz. 53
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Dem Wollen der Tat steht nicht entgegen, dass eine Hinterziehungstatnicht ihrer selbst wegen, sondern deshalb geschieht, um vorausgegangene Hinterziehungen nicht offenbar werden zu lassen. In Fällen dieser Art liegt zumeist bedingter Vorsatz vor (BGH v. 18.11.1960, 4 StR 13/60, BStBl I 1961, 495). Dasselbe gilt für Hinterziehungshandlungen zur Ermöglichung oder Verdeckung anderer Straftaten, z. B. von Schwarzgeschäften oder Veruntreuungen. Auch das Bestehen einer Zwangslage steht der Vorsätzlichkeit des Täterverhaltens nicht ohne Weiteres entgegen (BGH v. 20.05.1952, 1 StR 748/51, BGHSt 2, 375). Im Übrigen ist die Abgabe richtiger und vollständiger Erklärungen auch nicht unzumutbar (BGH v. 31.01.2001, 5 StR 540/01, NJW 2002, 1733). Dem Täter steht die Möglichkeit des § 371 AO offen, soweit es um Steuerstraftaten geht, im Übrigen ist er grundsätzlich durch das Steuergeheimnis geschützt (s. § 30 Abs. 4 Nr. 4 AO).
Tz. 54
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Der Vorsatz des Täters muss alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale umfassen. Der Täter muss die Umstände kennen, die seine Steuerpflicht begründen und die, die für die Entstehung der Steuerschuld bedeutsam sind. Kein Vorsatz liegt vor, wenn der Täter bei der Begehung der Tat Umstände nicht kennt, die zum gesetzlichen Tatbestand gehören (Tatbestandsirrtum, s. § 16 StGB und s. Rz. 57 ff).
Tz. 55
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Zum Vorsatz muss als weitere Grundlage der Strafbarkeit der Schuldvorwurf, also das Unrechtsbewusstsein hinzutreten. Das ergibt sich aus den Bestimmungen über den Verbotsirrtum (s. § 17 StGB; BGH v. 18.03.1952, GSSt 2/51, BGHSt 2, 194; s. Rz. 61 ff.). Das Verschulden umschreibt die Fähigkeit des Täters, gemessen an seinen persönlichen Verhältnissen, insbes. dem Grad seiner Einsichtsfähigkeit (s. Rz. 56), die Tat als gemeinschaftswidriges Verhalten zu erkennen, sodass sie ihm zum Vorwurf gemacht werden kann. Diese Voraussetzung ist auch dann erfüllt, wenn das Unr...