Karl Blesinger, Dr. Andreas Viertelhausen
Tormöhlen, Der besonders schwere Fall der Steuerhinterziehung, AO-StB 2011, 153;
Peters, Strafzumessung bei Steuerhinterziehung in Millionenhöhe, NZWiSt 2012, 201;
Pflaum, Keine "Neujustierung der Steuerhinterziehung großen Ausmaßes", wistra 2012, 376;
Rolletschke/Roth, Neujustierung der Steuerhinterziehung "großen Ausmaßes" (§ 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO) aufgrund des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes? wistra 2012, 216;
Stam, Das "große Ausmaß" – ein unbestimmbarer Rechtsbegriff, NStZ 2013, 144;
Radermacher, Steuerhinterziehung in großem Ausmaß durch strafrechtlich verjährte Taten? AO-StB 2016, 21;
Rolletschke, Auswirkungen der Rechtsprechungsänderung zum großen Ausmaß iSd § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO, NZWiSt 2016, 209;
Talaska, Steuerhinterziehung großen Ausmaßes, DB 2016, 673.
Tz. 110
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 370 Abs. 3 AO enthält eine Strafschärfung für besonders schwere Hinterziehungsfälle. Die Fälle des § 370 Abs. 3 AO sind Regelbeispiele, die dem Richter die Rechtsanwendung erleichtern. Die Aufzählung ist nicht abschließend (BGH v. 23.06.1985, 4 StR 219/85, HFR 1986, 426). Je nach den Umständen des Einzelfalls kann auch ein unbenannter Fall der besonders schweren Steuerhinterziehung vorliegen (BGH v. 02.12.2008, 1 StR 416/08, BStBl II 2009, 934), nämlich wenn sich die Tat bei der Gesamtwürdigung aller Zumessungstatsachen nach dem Gewicht von Unrecht und Schuld vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle so weit abhebt, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten ist (BGH v. 21.08.2012, 1 StR 257/12, wistra 2013, 28). Es liegt auch nicht immer ein besonders schwerer Fall vor, wenn die Voraussetzungen eines Regelbeispiels erfüllt sind (Abwägung der Gesamtumstände: BGH v. 24.08.1993, 5 StR 229/93, wistra 1993, 297; BGH v. 02.12.2008, 1 StR 416/08, BStBl II 2009, 934). Die Beispiele verdeutlichen aber, dass dem Gesetzgeber der ordentliche Strafrahmen des § 370 Abs. 1 AO in den bezeichneten Fällen nicht ausreichend erscheint, weil die erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle bereits im ordentlichen Strafrahmen Berücksichtigung gefunden haben. Liegt ein Regelbeispiel vor, ist die Strafverfolgungsverjährung auf zehn Jahre verlängert (s. § 376 Abs. 1 AO).
Tz. 111
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Den strafschärfenden Umständen im Sinne des § 370 Abs. 3 AO sind etwa vorhandene strafmildernde Umständegegen zurechnen. Umstände, welche die Strafe verschärfen, sind Stufen schwereren Unrechts und schwererer Schuld. Der Vorsatz des Täters (s. Rz. 50 ff.) muss sich auch auf solche Merkmale beziehen, welche den Tatbestand qualifizieren, insbes. die Strafbarkeit erhöhen. Ein Irrtum ist nach Maßgabe der allgemeinen Grundsätze (s. Rz. 56 ff.) von Bedeutung. Die Strafe in den Fällen des § 370 Abs. 3 AO ist Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Zusätzlich kann unter den Voraussetzungen des § 41 StGB (s. Rz. 101) auf Geldstrafe von fünf bis zu 360 Tagessätzen erkannt werden. Zur Milderung bei Versuch s. Rz. 70. Zur versuchten Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall vgl. BGH v. 28.07.2010, 1 StR 332/10, wistra 2010, 449.
Tz. 112
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Wegen eines besonders schweren Falles der Steuerhinterziehung im Sinne des § 370 Abs. 3 AO kann nur derjenige Täter oder Teilnehmer bestraft werden, in dessen Person die strafschärfenden Tatumstände vorliegen und von dessen Vorsatz sie umfasst werden. Der Täter, dem ein Amtsträger im Sinne der Fallgruppe 2 Hilfe leistet, ist nach § 370 Abs. 1 AO und nicht nach § 370 Abs. 3 AO strafbar, wenn keine Form des Zusammenwirkens vorliegt, während der Tatbeitrag des Amtsträgers unter § 370 Abs. 3 Nr. 2 AO fällt. Der Pflichtige hingegen, der sich mit einem Amtsträger verbindet, um dessen Mithilfe auszunutzen, unterfällt § 370 Abs. 3 Nr. 3 AO. Zur Beihilfe in einem besonders schweren Fall vgl. BGH v. 06.09.2016, 1 StR 575/15, NStZ 2017, 356.
Tz. 113
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Trifft die Steuerhinterziehung in der Begehungsform eines besonders schweren Falles mit einer anderen Straftat in Tateinheit zusammen, so ist bei der Feststellung des strengeren Gesetzes (s. Rz. 87) von der Strafdrohung des § 370 Abs. 3 AO unter Einbeziehung der kumulativen Geldstrafe nach § 41 StGB auszugehen. Im Verhältnis zur Urkundenfälschung ist die Steuerhinterziehung in der Begehungsform des § 370 Abs. 3 AO das strengere Gesetz, es sei denn, dass die Urkundenfälschung als besonders schwerer Fall unter der Höchststrafdrohung des § 267 Abs. 3 StGB steht (15 Jahre, s. § 38 Abs. 2 StGB).